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Im Jahr 1922 werden in der Nacht vom einunddreißigsten März auf den ersten April alle sechs Bewohner des Hofes Hinterkaifeck von Unbekannten bestialisch ermordet. Dieser Mordfall erschütterte damals die junge Weimarer Republik. Die mysteriösen Umstände haben eine lange und schwierige Vorgeschichte: Inzest und uneheliche Kinder, Geiz, Schwarzarbeit und anderes mehr.
Der damalige Münchner Kriminaloberinspektor Georg Reingruber übernimmt den Fall. Nur: alle Spuren verlaufen im Sande. Noch während des 3. Reiches, noch in der Bundesrepublik werden die Mörder weiter gesucht. Erst 1955 wird die Akte zum Mordfall Hinterkaifeck wirklich geschlossen.
Peter Leuschner zeichnet den Kriminalfall, der damals so viel Aufsehen erregte, nach mehrjährigem Aktenstudium nach. Vor allem die teils erst in den 70er Jahren zugänglichen Archive erlauben ihm, hier ein Stück Zeitgeschichte aufzurollen, das auf der einen Seite ein spannender Krimi ist, auf der anderen Seite ein zwar sehr lokales, aber auch exemplarisches Bild damaligen Alltags und damaliger Lebensgewohnheiten zeigt.
Das Buch hätte eine schlichte Dokumentation sein können. Leuschner hat sich hier für einen anderen Weg entschieden. Er dramatisiert die Geschehnisse, schreibt an die Realität angelehnte Dialoge, und bietet so, neben all der präzisen journalistischen Aufarbeitung der Akten auch noch gutes Infotainment. Dem Buch ist ein umfangreicher, dokumentierender Bildteil angehängt. Zudem gibt es eine kurze geschichtswissenschaftliche Ausführung über die politische Situation Bayerns während der Weimarer Republik.
Tatsächlich liest sich das Buch wie ein Krimi. Die Sprache ist sehr eingängig und trotz zahlreicher eher dokumentarischer Passagen stellt der Autor einen guten Spannungsbogen her. Faszinierend ist auch die historische Entwicklung, die teils - bei den Ermittlungen - auf Spuren aus der wilhelminischen Zeit zurückgreift, und die durch drei verschiedene Staatsformen hindurch mit wechselnden politischen Bedingungen in Berührung kommt.
So könnte man letztendlich allenfalls die fiktionale Dramatisierung der Szenen beklagen, die diese Dokumentation durchsetzt; da jedoch gerade dies sehr umsichtig in die harten Fakten des Falles eingebettet wird, ist man als Leser dankbar, neben einer Vermittlung von Wissen einfach auch ein großes Lesevergnügen zu finden. Ein solches Infotainment, das so fernab reißerischer Aufmachung liegt, und trotzdem diesem Wort im vollsten Sinne gerecht wird, findet man selten.
Das Buch ist leider nicht - wie sonst bei media-mania üblich - über amazon bestellbar. Es kann aber über den örtlichen Buchhandel oder direkt beim Verlag bezogen werden.