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 Das unsichtbare Jahrhundert

Einstein, Freud und die Suche nach verborgenen Welten

Autoren: Richard Panek
Übersetzer: Hainer Kober
Verlag: Berlin Verlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Die Jahrzehnte vor der Wende zum 20. Jahrhundert waren geprägt von einer Fülle naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Vor allem die Physik hatte einen enormen Wissenszuwachs zu verzeichnen. Viele Physiker glaubten zu Beginn des neuen Jahrhunderts, es sei bereits alles entdeckt und gefunden. Dann kam Einstein.
Etwa zur gleichen Zeit hatte sich auch die Neurologie weit fortentwickelt. Hier schien es ebenfalls nicht mehr viel Spielraum für Neuentdeckungen zu geben, bis ein Wiener Arzt auf den Plan trat: Sigmund Freud.
Dieses Buch befasst sich mit den beiden Wissenschaftlern, die, jeder auf seinem Gebiet, Revolutionen auslösten, die auch heute fortwirken. Im ersten Kapitel wird die wissenschaftliche Situation erläutert, wie sie sich Einstein und Freud zu Beginn ihrer Laufbahn, teils auch schon in der Kindheit, präsentierte. Hierzu lässt der Autor die Vergangenheit seit Kepler und Galilei Revue passieren. Kepler entzieht der Erde ihren Status als Mittelpunkt des Universums, sekundiert von Galilei, der mit seinem Fernrohr einige Jupitermonde erkennt und damit beweist, dass auch andere Planeten Trabanten besitzen. Fast zeitgleich tritt Antoni van Leeuwenhoek als Erfinder des Mikroskops auf und zeigt, dass die Welt des für das Auge unsichtbar Kleinen nicht minder faszinierend ist als der Makrokosmos, den Galilei sichtbar gemacht hat.
Der Autor führt weiter aus, unter welchen Schwierigkeiten schließlich erkannt wurde, wie Nervenzellen "funktionieren" - dass sie nicht fest miteinander verbunden sind, sondern lediglich Impulse weiterleiten. In der Physik wiederum hatte die Entdeckung von Röntgenstrahlung und Radioaktivität neue Entwicklungen angestoßen.
Hier nun setzen zwei Große ihres Fachs an: Freud erkennt, dass die Krankheiten der Psyche in vielen Fällen nicht mittels Hirnläsionen und gestörten Nervenimpulsen erklärt und daher auch nicht mit herkömmlichen Mitteln behoben werden können. Er führt neue Methoden ein, die häufig Erfolg haben, und wird zum Vater der Psychoanalyse, die sich dem Unbewussten widmet, das so wenig unmittelbar erfasst werden kann wie Röntgenstrahlen. Einstein bringt die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie zu Papier und zeigt auf, dass Messergebnisse vom Standpunkt des Experimentierenden und der Art seiner Bewegung abhängen, und dass Raum und Zeit als Koordinaten des Universums unmittelbar miteinander verwoben sind. Beide Forscher schrecken das wissenschaftliche "Establishment" durch unkonventionelles Vorgehen und Ergebnisse auf, die zu einem neuen Weltbild führen.

Der Autor versteht es meisterlich, die Bedeutung der beiden so grundverschiedenen, einander in manchen Details jedoch verblüffend ähnlichen Forscherpersönlichkeiten für die weitere Entwicklung ihrer jeweiligen Wissenschaftsdisziplin herauszuarbeiten. Ihm liegt dabei am Herzen, dass auch und gerade Laien diese Bedeutung nachvollziehen können, und dies gelingt ihm. Hierfür leistet vor allem der ausführliche Rückblick in die Wissenschaftsgeschichte gute Dienste, denn so vermag der Leser einige hundert Jahre der Historie nachzuvollziehen und zu ergründen, warum es immer wieder zu langen Phasen der Stagnation kam.
Wenngleich Richard Panek nicht versucht, eine Doppelbiografie zu verfassen, sondern seinen Schwerpunkt auf den wissenschaftlichen Aspekt und die Auffindung von Parallelen im Schaffen beider Wissenschaftler legt, werden Einstein und Freud in diesem Buch für den Leser dennoch sehr gut erfahrbar als Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, beseelt vom Wunsch nach Erkenntnis. Wichtig und gut gelungen sind auch die Ausführungen über die Rezeption der bahnbrechenden Entdeckungen beider Forscher durch Kollegen und Öffentlichkeit und ein Vergleich des Ansehens, das Einstein und Freud nach ihrem Tod genossen - hier ist Einstein, dessen Gleichungen heute noch Gültigkeit haben, klar im Vorteil, während Freud zunehmend in die Kritik geriet.
Einstein, der die Astronomie auf eine berechenbare mathematisch-physikalische Basis stellte und ihr damit Ansehen als seriöse Wissenschaft gab, und Freud, dem es zukam, die Psychoanalyse als neuen Zweig der Psychologie zu entwickeln und zu etablieren und somit dem Einfluss des Unbewussten seinen prominenten Platz einzuräumen: "Das unsichtbare Jahrhundert" ist ein spannend verfasstes, informatives Buch über ein Stück Wissenschaftsgeschichte, das zu kennen sich lohnt.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. Juni 2007 | ISBN: 9783833304040 | Originaltitel: The Invisible Century. Einstein, Freud, and the Search for Hidden Universes | Preis: 11,90 Euro | 272 Seiten | Sprache: Deutsch

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