"Mit unseren Augen" ist eine Sammlung von Reisegeschichten, die Elke Heidenreich und Tom Krausz gemeinsam in den letzten Jahren unternommen haben. Diese kleinen Reportagen, bereits in verschiedenen Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht, sind nun im Verlag "Elisabeth Sandmann" in gebundener Form zusammengefasst und um ein Vorwort der beiden Verfasser ergänzt worden.

Nach dem warmherzigen und pointierten Vorwort von Elke Heidenreich und der informativen, unkonventionellen Einleitung des Fotografen Tom Krausz, finden sich in dem großformatigen, qualitativ höchsten Ansprüchen genügenden Band zehn Reportagen gemeinsamer Reisen der Zufallsbekanntschaft Heidenreich/Krausz.
Interessanterweise sind Bilder und Text, wie immer wieder von beiden Autoren betont, meist isoliert und eigenständig entstanden und dank der Harmonie und dem sicheren Gefühl füreinander zu einem neuen Ganzen geworden.

Die erste Reise führt den Leser nach Neuseeland. Schnell wird klar, dass hier keine touristisch wertvolle Informationsreise stattfand und bebildert wird, sondern eine sehr persönliche, oft launige und nachdenklich machende, illustrierte Assoziationskette.
Schnell wird die Stärke der Autorin Heidenreich klar. Sie skizziert in wenigen Sätzen Menschen und ihre Gefühlslage, Orte fern ab des Mainstreams, Beobachtungen, die zwischen Natur und Kultur, Erhaltenswertem und Zerstörungswut pendeln. Hinzu kommen Fotografien, die überraschend persönlich sind. Sie sind das Gegenteil der Bilder eines Reiseführers. Sie zeigen nicht Monumente und Sehenswürdigkeiten, Tourismusziele oder markante Naturdenkmäler, sonder Fragmente, winzige Ausschnitte und scheinbar völlig Nebensächliches und ermöglichen emotionale Einblicke in den Ort oder die Menschen, die Tom Krausz wichtig sind.

Auch die Reise nach Schottland, nach Wales oder Moskau geben sehr persönliche Momente wieder. Der Blick in ein Wohnzimmer, die Bücherregale, die prägnante Persönlichkeit einer befreundeten Autorin sind spannend, nachdenklich und wundervoll unwichtig. Nicht der "Rote Platz" wird dokumentiert, sondern Hinterhöfe und Gefühle.

Weiterhin entfährt das Autoren-Duo nach Beirut, Venedig, Salzburg, Glyndebourne, Loch Ness und Emilia-Romagna. Vor allem Beirut bleibt dem Leser lange im Gedächtnis. Selten hat jemand so frank und frei politisch völlig unkorrekte Szenen wiedergegeben. Die kurze Sequenz, in der die aufgeklärte Intellektuelle damit konfrontiert wird, dass ihr als Deutsche zu Hitler und seinem fabelhaften Vorgehen gegen die Juden gratuliert wird, ist erschütternd und zugleich leider auch nachvollziehbar in einem Land, das Israel nur als Todfeind wahrnehmen kann.

Diese Reportagen bleiben haften. Nicht wegen ihrer Verortung - die ist vergleichsweise unwichtig - sondern wegen ihrer emotionalen Nähe zum Ort und vor allem zu den dort lebenden Menschen. Wer nach der Geschichte über Dylan Thomas nicht verzweifelt nach Texten und Gedichten dieses "vergessenen" Alkoholikers und begnadetsten Poeten sucht, hat ein Herz aus Stein und das Gemüt eines Esels. Und wer dazu nicht die Bilder und Szenarien im Kopf behält, die uns Tom Krausz zu Schottland oder Wales serviert, gehört vielleicht doch nicht zu der Zielgruppe, die Elke Heidenreich und Tom Krausz im Auge haben.