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Das Bedürfnis sollte verständlich sein: Man reist in ein fernes Land und möchte die Erlebnisse mit den Freunden und Bekannten teilen. Also schreibt man ihnen. Aber da zu befürchten ist, dass man sich irgendwann ständig wiederholt oder nicht mehr weiß, was man wem geschrieben hat, greift man in so einem Fall gerne zu einer Alternative: dem Rundbrief. So kann man all die Daheimgebliebenen auf einmal erreichen. Praktisch.
Nach diesem Konzept verfuhr auch die Familie Drechsel, als sie nach Japan zogen. So hielten sie in den Rundbriefen fest, wie sie sich in Japan einlebten und langsam in diesem fremden Land den Alltag fanden.
Da die Briefe bei allen Empfängern ein riesiger Erfolg waren und es jede Menge Ermutigungen gab, entschloss sich Udo-Bernd Drechsel, diese Rundbriefe in Form eines Buches jedermann zugänglich zu machen.
Für den Leser ergibt sich so eine interessante Erfahrung. Das Buch ist wirklich so aufgebaut, als würde man die gesammelten Briefe oder E-Mails von einem Unbekannten lesen, die einem zugespielt wurden. Zunächst muss man sich an den Stil und die Form etwas gewöhnen (besonders der etwas exzessive Gebrauch der Kombination !?!?!). Wenn man aber in die Texte gefunden hat, bekommt man wirklich mal ein anderes Reisebuch.
Auf seine Art sind die Texte hier viel persönlicher, als sie in vergleichbaren Büchern sind. Sei es nun die Briefform oder eben die unverarbeiteten Erlebnisse, die wirklich zeitnah aufgeschrieben und nicht erst mit Hilfe von anderen Quellen recherchiert wurden. So kann man nachvollziehen, wie sich die Familie immer mehr in Japan einlebt und zurechtfindet.
Und es gibt auch überraschende, fast schon unglaubliche Erlebnisse, wie eine Schwertauktion, die irgendwie unwahrscheinlich klingen, aber eben nicht so ungewöhnlich sind, wenn man sich wirklich in einem fremden Land integriert hat.
Ergänzt werden die Briefe der Familie durch kleine Aufsätze, die ihre Besucher geschrieben haben und zeigen, wie überwältigend eine Reise nach Japan sein kann, wenn man das Land zum ersten Mal sieht.
Es ist sicherlich ein mutiger Schritt, diese E-Mails als Buch zu veröffentlichen, denn es sind trotz alledem persönliche Briefe. Nicht jeder würde sich vielleicht trauen, sein Familienleben eben nicht nur den Freunden, Verwandten und Bekannten, sondern auch Wildfremden zugänglich zu machen. Gelungen ist der Schritt trotzdem - vielleicht auch, weil versucht wird, nicht zu sehr ins Detail zu gehen. So halten sich Anspielungen, auf die nicht eingegangen wird und man als Außenstehender nicht versteht, im Rahmen.
Japankenner werden in den Briefen sicher auch vieles wieder erkennen. Sei es, dass sie ganz ähnliche Erlebnisse hatten - oder sich vielleicht erinnern, wie schwer es tatsächlich ist, das im Ausland Erlebte über einen Text weiterzugeben.
"Puderzucker Japans" ist ein nettes, persönliches Buch, das den Leser den Umzug in ein völlig neues Leben nachvollziehen lässt. Japanexperten werden hier vielleicht nicht wirklich Neues finden - aber eben viel Vertrautes erkennen. Für Menschen, die längere Zeit nach Japan wollen, und ihre Daheimbleibenden sicher eine nette Einstiegsliteratur.
Ein gutes Buch für alle Japan-Fans - und Menschen, die ihre Lieben dazu bringen wollen, endlich mehr aus dem Urlaub zu schreiben.