Media-Mania.de

 Pictures


Cover
Gesamt +++--
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Das bevorzugte Sujet des Fotografen Achim Lippoth sind Kinder. Dabei weicht er jedoch von dem bekannten und beliebten Kindchenschema ab, das die Kleinen als süß und niedlich präsentiert. In seinem Bildband "Pictures" führt der Künstler seine Fotografien von Babys, Kleinkindern und Kindern nach Kollektionen und chronologisch geordnet vor.

Auf das Vorwort, das zunächst Achim Lippoth als Fotograf vorstellt und zu jeder Bildkollektion ein paar erläuternde Sätze vorgibt, folgen die Kollektionen aus dem Zeitraum von 2001 bis 2005. Im Anhang finden sich ein Lebenslauf sowie Listungen von Ausstellungen, Buchveröffentlichungen und Auszeichnungen und Preisen. Sämtliche Texte des Buches sind sowohl in Deutsch als auch in Englisch vorhanden.

Jede Kollektion verfolgt eine eigene Idee, die aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Motiven dargestellt wird. LÂ’Homme Machine (2001) hat chinesische Kinder zum Thema, die in jungen Jahren bereits zu kleinen Profisportlern ausgebildet werden. Schwielige Hände vor rotem Hintergrund oder vor Anstrengung und Konzentration verzerrte Kindergesichter dominieren hier und lassen die Kindheit unbeschönigt und hart erscheinen.
Bylakuppe (2002) stellt als folgende Serie einen krassen Kontrast zur ersten Kollektion dar; junge buddhistische Mönche werden hier von Lippoth in Szene gesetzt, passend in teilweise spirituell anmutender Art und Weise. Warme Farben und weiches Licht unterstreichen die Harmonie der Fotografien.
Das System der konträren Serien setzt sich mit Babyfaces (2003) fort. Statt süßer Babygesichter mit dem bekannten Kindchenschema serviert Lippoth dem Betrachter durch Accessoires und Perspektive verfremdete Gesichter von Kleinkindern, denen nichts Niedliches oder Putziges mehr anhaftet. Seitenscheitel und Perlenohrringe erinnern an die Mode der dreißiger Jahre, der Stil dieser Bilder befremdet nicht nur auf den ersten Blick.
Die anschließende Fotoserie Wölflinge (2004) erscheint wie eine düstere Zukunftsvision. Dreckige Kinder in zerrissenen Kleidern, verfallene Fabrikgebäude, ernste junge Gesichter und abgedunkelte Farben suggerieren Hoffnungslosigkeit und Verbissenheit - Eigenschaften, die Kindern fremd sein sollten.
Together (2004) scheint die vorangegangene Kollektion etwas kühler fortzuführen. Blonde Kinder in Sportkleidung - auch ohne den Hinweis im Vorwort zu lesen, fühlt man sich sofort an die Nazijugend der dreißiger Jahre erinnert - in einem Stadion, Fahnen, Kräftemessen, Pathos.
Der Titel der Fotoserie Colours Of Cologne (2004) verrät dem Leser vielleicht bereits das Thema: Karneval in Köln. Die kleinen Prinzen und Prinzessinnen sind überbordend ausgestattet mit allem Brimborium, das es in der Narrenzeit braucht; sämtliche Fotos entstanden vor demselben Kulissenbild in weichen, verwaschenen Farben, sodass das Augenmerk auf die bunten, detailreichen Kostüme gelenkt wird. Ernst und würdevoll sind die Blicke der Kinder.
In traditioneller bayrischer Tracht wurden die Fotografien zu No Fashion (2004) aufgenommen. Zum ersten Mal sind auch Erwachsene zu sehen, dienen jedoch letztlich nur als Staffage in der zünftig hergerichteten Szenerie mit Alpenkulisse und passender Wanddekoration.
Rage Attack (2005) ist die letzte Kollektion und zeigt die Kinder von einer bisher nicht dargestellten Seite: Sie verbrennen, zerschneiden und hinterlassen Chaos. Mit wütenden Gesichtern und in bunten, teils kitschig dekorierten Kulissen lassen sie ihrem kreativen Zerstörungsdrang freien Lauf.

Lippoth spielt gerne mit dem Jugendbild der dreißiger Jahre, aber es gelingt ihm nicht immer, es ohne die nationalsozialistische Note darzustellen. Hier kleine Profisportler, trainiert zum Siegen, dort kühle blonde Kinder, da wiederum der Seitenscheitel schon bei den Kleinsten - die Assoziationen, die man mit damals ziehen könnte, sind vielfältig. Teilweise mag das Absicht sein, doch der Versuch des Vorwortes, diese Vorgehensweise zu erklären, mag nicht jedem Leser ausreichen. Die persönliche Einstellung des Betrachters spielt eine große Rolle, ob der edle Bildband gefallen kann oder nicht.
Grundsätzlich sind die Fotografien vom Feinsten: sie sind perfekt beleuchtet und koloriert, die Kulissen sind mal unifarben schlicht und mal vielseitig ausstaffiert und bunt. Die beste Fotoserie mag wohl Wölflinge sein, aus der auch das Titelbild stammt; düstere Farben und ernste Gesichter bilden eine reizvolle Melange unter abgedunkeltem Himmel.
An Lippoths fachlichem Können besteht somit kein Zweifel - die Motive sind es, die die Geister scheiden. Ob künstlerische Freiheit in dieser Form nicht immer noch sehr riskant ist, mag dahingestellt sein. Insgesamt zeigt sich "Pictures" doch von einer zu harten Seite, die dem Kindsein zu wenig Schönes abringt und meist kühle Ästhetik bietet. Was der Bildband dem Leser darüber hinaus zu vermitteln vermag, darüber sollte jeder selbst entscheiden.

Tina Klinkner



Hardcover | Erschienen: 01. März 2007 | ISBN: 9783936636963 | Preis: 48 Euro | 129 Seiten | Sprache: Deutsch

Werbung

Dieser Artikel könnte interessant sein:

Zu "Pictures" auf Amazon

Hinweis: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen.



Ähnliche Titel
Strangers in the lightAmerican PhotographsEulenAndrej TarkovskijSleeping Beauties