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 ego shooter


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Spannung


Kovács ist Mitte dreißig, Sohn ungarischer Immigranten, einsamer Wolf und verlorene Seele, der in seinem Appartment die Rolläden vor dem Fenster heruntergelassen hat und bei Kunstlicht seinem Hobby und Beruf zugleich frönt: dem Computerspielen. Denn Kovács ist Profi, er verdient sein Geld in den Profiligen diverser Weltkriegs- und Egoshooter, und das bedeutet: ballern, was das Zeug hält, mit Maus und Joypad Flugzeuge und Soldaten zu Brei schießen, "8 stunden training am tag, 6 stunden spielen", und das bis in die späte Nacht hinein. Seine einzigen Sozialkontakte sind die Lieferanten des Pizzaservices, und seine Freunde schweifen wie er auf den immer wieder neu generierten Schlachtfeldern des 1. und 2. Weltkriegs umher. Ein Leben am Rand der Extreme, in völliger Abschottung und mit minimalem Realitätsbezug; doch die Realität poppt in Kovács’ Leben wie die Warnmeldung eines Virenscanners, als er ensthafte Krankheitssymptome entwickelt und spielunfähig wird. Rasch verlagert sich sein Leben von den langen Gängen der Egoshooter in die ebenso langen Gänge des örtlichen Krankenhauses ...

Es ist eine aufregende Geschichte, die der 1968 geborene Autor Martin von Arndt erzählt; das Phänomen der soziopathischen Computerspieler, der Generation Online und ihrer Computerspiel(sehn)süchte ist ein Thema, das bislang in der Literatur selten aufgegriffen wurde und doch für die heutige Zeit so wichtig ist. Kovács’ Leben zwischen Shooter und Pizzapause, sein Hin- und Herpendeln zwischen den virtuellen Feuerwerken und der tristen Realität, die ab und zu in Licht- und Tonfetzen durch die Ritzen seines Rolladens zu ihm hineindringt (wie das Geschrei der Nachbarskinder), hat von Arndt in einer gehetzten Sprache eingefangen. Immer wieder fließen auch Gedankenfetzen des Computerspielers ein, in denen er seine Kindheit und seine Probleme als Immigrantenkind reflektiert - und die immer wieder mit den Bilschirmdarstellungen zusammenfließen. Gelegentlich wird von Arndt in diesen Passagen etwas zu moralisch, und auch der Leidensweg des Spielers Kovács nach seiner Erkrankung hätte etwas smarter ausfallen können. Trotzdem: Was hier auf knapp 142 Seiten geboten wird, ist das Porträt eines jungen Mannes, in dem sich wohl viele Computerspieler wiederfinden. Ob man dazu - wie im Klappentext - Vergleiche mit Dostojewski bemühen muß, sei dahingestellt. Aber ein wichtiger Beitrag zur Gegenwartsliteratur ist "ego shooter" allemal.

Wer übrigens in den Roman hineinschnuppern möchte, bekommt auf Martin von Arndts Homepage (www.vonarndt.de) die Gelegenheit dazu; hier sind die ersten zwei Kapitel als MP3-Files abrufbar - und lassen sich gut neben einem (stummgeschalteten) Egoshooter anhören.

Hagen Hoffmann



Hardcover | Erschienen: 01. Februar 2007 | ISBN: 9783937667911 | Preis: 16,90 Euro | 140 Seiten | Sprache: Deutsch

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