Vor langer Zeit wachte Vater Wolf über die Grenze zum Schattenreich. Seine Fänge zerrissen Sterbliche, die sich zu weit in das Schattenreich vorgewagt hatten und seine Klauen trieben die Geister vor sich her, die Unfrieden in der stofflichen Welt erschufen. Unter seinen wachsamen Augen war das Paradies ein herrlicher Ort. Und auch Luna fand Gefallen an dem starken Krieger, so dass sie hinunterstieg und bei ihm lag. Daraus entstanden die ersten Werwölfe. Sie unterstützen ihren Vater in seiner Aufgabe und er lehrte sie alles, was sie über die stoffliche Welt und das Schattenreich wissen mussten.

Doch dann kam eine Zeit, in der Vater Wolf schwächer wurde. Mit jedem Nachkommen, den er mit Mutter Luna zeugte, schwand ein kleiner Teil seiner Kraft. Und so kam es, dass seine Fänge stumpf wurden und seine Kräfte schwanden. Die Geister gewannen die Überhand und terrorisierten das Paradies, da er sein Rudel nicht mehr mit der gleichen Stärke und Weisheit anführen konnte wie früher. Das Grauen wollte kein Ende nehmen und so beschlossen seine Kinder, dass es Zeit war, ihren Vater zu töten, damit die Welt gerettet werden konnte. Denn erst nach Vater Wolfs Tod konnte ein neuer seinen Platz einnehmen.

So zerrissen sie ihn mit ihren Klauen und Zähnen. Luna verfluchte ihre Kinder und das Paradies wurde zerstört durch die Mächte, die Vater Wolfs Tod freisetzten. Doch seit da an bewachen seine Kinder das Schattenreich und die stoffliche Welt, die ohne ihre schreckliche Tat nicht mehr bestehen würde. Sie sind die Parias, die Wölfe, die von den reinen Stämmen gehasst werden. Von den Stämmen, die damals zu feige waren, um das zu tun, was getan werden musste, um das Gleichgewicht der Welten wieder herzustellen. Sie sind Jäger und Gejagte zugleich.

"Werwolf: Paria" ist ein Erzählspiel aus der Welt der Dunkelheit. In diesem Rollenspiel übernimmt der Spieler die Rolle eines Werwolfs. Ihm und seinem Rudel obliegt es, ihr Revier im Gleichgewicht zu halten. Sie müssen sich gegen die reinen Stämme zur Wehr setzen, die ihren Tod wollen, rebellische Geister verbannen und ständig auf der Hut vor den Menschen sein. Jeder Werwolf ist anders. Dem einen fällt es leicht, seine Gegenspieler mit Worten von seinen Ansichten zu überzeugen, während der andere mit dem Einsatz seiner Zähne und Klauen das Gleiche erreichen würde. Ein Rudel besteht aus verschiedenen Mitgliedern, deren Spezialgebiete unterschiedlich sind, so dass sie sich gegenseitig ergänzen.

Um das Regelwerk benutzen zu können, benötigt man das "Welt der Dunkelheit"-Grundregelwerk. In diesem ist das Regelsystem und die grundsätzliche Erschaffung eines Charakters erläutert. Dort werden Kämpfe, Einsatz von Würfeln und Anwendung verschiedener Talente erläutert. In "Werwolf: Paria" wird dieses Grundgerüst genommen und erweitert, um einen Werwolf zu erschaffen.

Der Charakter eines Werwolfs wird durch den Mond geprägt, unter dem er sich das erste Mal verwandelt hat und durch seine Wahl, zu welchem Stamm der Wölfe er gehören möchte. So entsteht eine große Auswahl an verschiedenen Charaktertypen, aus denen der einzelne Spieler wählen kann. Und der, der sich nicht entscheiden möchte, hat die Möglichkeit, einen Werwolf ohne Stamm zu spielen.

Das Reizvolle dieses Rollenspiels ist die Notwendigkeit, sich in einen Werwolf hineinzuversetzen. Auf der einen Seite ist er als Mensch aufgewachsen, auch wenn er immer wusste, dass ihn etwas von den anderen trennt. Und auf der anderen Seite wird er bereichert durch seine tierischen Fähigkeiten, seine Möglichkeiten, auch als Wolf zu agieren und kommunizieren. Der Charakter wird durch seine herausragenden Eigenschaften nahezu unverwundbar. Er besitzt die Möglichkeit, sich aus der Geisterwelt Hilfe und Rat zu holen. Mit den verschiedenen Gaben und Ritualen ist es möglich, eigene Kräfte zu verstärken oder Gegner massiv zu beeinflussen.

In diesem Regelwerk findet sich alles, was nötig ist, einen Werwolf zu erschaffen und eine Chronik mit einem Rudel zu spielen. Die Welt der Parias ist detailliert erklärt. Die einzelnen Stämme und Mondzeichen werden ausführlich erläutert, so dass man sich gut ein Bild von den erschaffenden Charakteren machen kann. Das Kapitel, das sich um das Erzählen dreht, behandelt die spezielle Situation einer Chronik mit Werwölfen. Durch ihre Art ziehen sie besonders den Hass der Geister auf sich. Im Gegensatz zu anderen Systemen fällt es der Gruppe auch weitaus schwieriger zu verreisen, da sie sonst ihr Revier im Stich lassen und, was weitaus schwerwiegender ist, in das Revier anderer Wölfe eindringen müssen.

In dem mitgelieferten Abenteuer wird einem sehr deutlich die Komplexität dieser Situation klar. Die unterschiedlichsten Rudel kämpfen hier um die besten Reviere. Man lebt in einem Gebiet, das verseucht ist von den Nachwirkungen eines besiegten Geistes. Dennoch herrscht Aufbruchsstimmung und in diese Situation, die geprägt ist von der Säuberung des Landes, stossen junge oder erfahrene Rudel und werden ebenfalls zu einem Problem.

Das Regelwerk ist mit Informationen reich gefüllt. Vielfältige Zitate und Legenden führen den Leser tiefer in die Welt ein und schaffen ein besseres Verständnis für das Spiel als Werwolf. Sehr schön und stimmungsvoll sind die zahlreichen Bilder, die im Buch verteilt sind. An ihnen lässt sich die grundlegende Atmosphäre des Erzählspiels erkennen und nebenbei sehen sie einfach richtig gut aus.

Jedem, der sich gerne spielerisch an seine animalische Seite wagen möchte, sei dieses Regelwerk ans Herz gelegt. Und bei der erstaunlichen Fülle an Informationen und der Dicke des Buches kann man verschmerzen, dass man zum Spielen zusätzlich noch das "Welt der Dunkelheit"- Grundregelwerk benötigt. Wirklich sehr gelungen!