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Das kleine Dorf liegt fast am Ende der Welt. Ein einsamer, kaum je von einem Fremden betretener Pfad führt in das Dorf hinein, keiner heraus. Nur der große Fluss liegt zwischen dem Dorf und dem dunklen Wald.
Es ist still im Dorf. Nicht die Stille eines drückenden Sommers oder der wilden Einsamkeit, sondern die Stille des Todes und des Verlassenseins. Kein einziger Laut ist zu hören, selbst die Menschen sind meist stumm und niedergedrückt. Kein Krähen, kein Muhen, kein Bellen und kein Krächzen.
Vor vielen Jahren haben alle Tiere - von der Kuh über den Hund bis zum Holzwurm und Fisch - das Dorf, den Fluss, den nahen Wald, scheinbar die Welt verlassen. Die Erwachsenen, die doch in einer Zeit lebten, in der es Tiere gab, schweigen, wollen vergessen und erinnern sich doch täglich an ihre Schuld. Die Kinder, spät geboren und unwissend, glauben kaum mehr an die Geschichten und Bilder der Lehrerin. Nur sie versucht, in der bedrückenden Stille zu erklären, was Tiere sind, welche Geräusche sie machen, wie sie aussehen.
Die Eltern der Kinder verweigern jedes Gespräch und verbieten den Kindern, in den Wald zu gehen oder nach Einbruch der Dunkelheit vor die Tür zu treten. Sie haben Angst - nicht vor der Gegenwart, sondern vor der Vergangenheit.
Als ein Junge dennoch in den Wald geht, bleibt er wochenlang verschollen. Als er zurückkehrt, wiehert er wie ein Pferd und spricht nie wieder ein Wort.
Dennoch wagen Maja und Mati, zwei Kinder des Dorfes, eines Tages das Undenkbare: Sie gehen in den Wald hinein und suchen einen Weg in die Berge. Sie wollen wissen, warum ihre Eltern schweigen, warum sie sich schuldig fühlen und warum die Tiere sie verlassen haben.
2006 in gebundener Form erschienen, legt der Suhrkamp-Verlag "Plötzlich tief im Wald", das neue Buch von Amos Oz, bereits im September 2007 als Taschenbuch neu auf.
Es ist zu hoffen, dass sich sehr viele Leser finden werden, die dieses nun einmalig günstige Märchen erstehen werden. Denn dieses Buch ist so märchenhaft schön, so wundervoll poetisch, so traumhaft leicht geschrieben, dass man es in einem Zug durchlesen muss. Kaum zwei Stunden benötigt der Leser für dieses schmale Bändchen und wird doch mehr als glücklich sein, wenn er es beendet hat.
Nicht nur die außergewöhnlich beeindruckende, bildhafte Sprache des Autors fasziniert, auch der Inhalt lässt den Leser lange nicht mehr los. Dieses Märchen, gleichermaßen für Kinder, Jugendliche wie Erwachsene geeignet, ist erfüllt von tiefgreifender Menschlichkeit, Herzenswärme und Gefühl.
Und zugleich ist die Geschichte eine Metapher für die Schuld der gedankenlosen Menschen, die das Andersartige meiden, verspotten und hassen. Ein Gleichnis über Fremdenfeindlichkeit, Neid, Rache und Gefühllosigkeit. Amos Oz gelingt es, in die wunderbare Leichtigkeit seines Märchens eine Botschaft einzuweben, die zu Herzen geht und der man sich nicht entziehen kann. Ohne Lösungen vorzugeben, Schlüsse zu ziehen oder allzu deutlich eine Moral oder Botschaft einzuarbeiten, gelingt dem Autor allein durch die subjektive Darstellung der verschiedenen Standpunkte der Betroffenen, den Leser zum Nachdenken anzuregen.
Dieses Märchen ist wundervoll. Es ist eines der schönsten, anregendsten Geschichten, die mir bekannt sind, und ab zwölf Jahren eine Lesereise wert.