Die Hölle. Mit Sicherheit kein schöner Ort - aber möglicherweise genau deswegen so faszinierend. Zahllose Autoren gaben ihr schon ein Aussehen und erschufen die Landkarte der ewigen Verdammnis nach ihren eigenen, nicht selten visionären Vorstellungen. Mit Michael Marrak gesellt sich ein weiterer Visionär hinzu.
Es beginnt in der Wüste Lybiens. Dort stößt der Archäologe Hippolyt Krispin auf die Überreste einer sechsseitigen Pyramide - eine Sensation! Als kurz darauf bei den Ausgrabungsarbeiten ein Arbeiter auf ebenso grauenvolle wie mysteriöse Art und Weise ums Leben kommt, geschieht wenig später das Unvermeidliche: Hippolyt wird das Projekt entzogen. Doch seinen Rückzug tritt Hippolyt keineswegs mit gänzlich leeren Händen an, ist es ihm immerhin gelungen, eine Art Goldreif aus dem Inneren der Pyramide zu bergen.
Dieser Goldreif ist es auch, der ihn - nach einer ebenso unglaublichen wie bizarren Reise - letztlich nach Duat führt, dem Totenreich der Ägypter.
Doch die Hölle entpuppt sich als etwas anderes - gänzlich anderes. Inmitten dieses Schmelztiegels aus Wahnsinn, Religionen, ewiger Verdammnis und unvorstellbarem Schmerz spielt Hippolyt schon sehr bald eine entscheidende Rolle und erfährt schließlich die ganze Wahrheit, die weit über den menschlichen Verstand hinausgeht ...
Es ist eine wilde Achterbahnfahrt, die Michael Marrak dem geneigten Leser präsentiert. Was als Wüstenabenteuer beginnt, mutiert schon sehr bald in ein Szenario á la "Naked Lunch" bevor Horror und Fantastik gestreift werden und es letztlich bei der Science-Fiction zum Stillstand kommt. Dabei entzieht sich Marrak allerdings gekonnt jeder Klassifizierung und lässt die jeweiligen Genres ebenso gekonnt miteinander verschmelzen wie die Duat selbst. In seinen besten Momenten erinnert "Morphogenesis" daher auch an die Werke von Autoren wie Clive Barker, Dan Simmons oder auch Peter F. Hamilton, die nicht minder ungehemmt bei der Erschaffung ihrer eigenen Welten vorgegangen sind. Marraks hervorragender Schreibstil und die deutlich auszumachende gründliche Recherche tragen ebenfalls dazu bei, "Morphogenesis" zu einem herausragenden Werk der modernen deutschsprachigen Fantastik zu machen, das sich keineswegs hinter der "großen" internationalen Konkurrenz zu verstecken braucht.