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Der Pressefotograf Vincent Hermelin ist auf einen äußerst brisanten Fall angesetzt worden: Offensichtlich hat die Frau eines französischen Ministers im Zuge eines Sorgerechtsstreits den gemeinsamen Sohn entführt. Vincents Redaktion wittert eine gelungene Story. Dem Fotografen gelingt es, den Flüchtigen bis nach Genf auf die Fersen zu bleiben, dann wird er äußerst geschickt abgehängt. Doch er nimmt die Spur wieder auf. Sie führt in die Bretagne, nach Carnac.
In Carnac trifft er auf eine alte Bekannte, Charlotte. Er erfährt, dass sie mit einem wohlhabenden, versierten Hobby-Archäologen befreundet ist, und dass man sie im Ort "Die Schöne von Carnac" nennt. Charlotte lässt sich von Vincent nicht täuschen. Sie vermittelt ihm zwar den Kontakt zu dem Archäologen, doch dann versucht sie, von Vincent unbemerkt nach Genf zu gelangen.
Vincent, vom Gespräch mit dem Archäologen misstrauisch geworden, schafft es, Charlotte auf den Fersen zu bleiben. Charlotte lässt sich davon überzeugen, dass die große Story, der Scoop, den der anstrebt, auch im Interesse der von ihr gedeckten Personen sein dürfte, und Vincent liefert seiner Redaktion Material, das in Paris zum politischen Eklat führt.
Doch längst wittert Vincent eine ganz andere Story, denn er hat in dem Auto, das Charlotte für die Flucht der Ministergattin zur Verfügung gestellt hat, etwas Eigenartiges gefunden. Wieder sieht er sich genötigt, nach Carnac zu fahren. Kaum hat er jedoch eine heiße Spur, da wird sein Informant ermordet aufgefunden. Und bald darauf gerät auch Vincent selbst in Lebensgefahr.
Was zunächst nach einem klassisch strukturierten Krimi um Kindesentzug, familiäre Gewalt und sexuellem Missbrauch aussieht, entwickelt sich rasch in mehrere Richtungen. Der Fotoreporter, der seinem Scoop nachjagt, wird zum Ermittler: keine schlechte Idee für einen Krimi, in dem folglich die Polizei allenfalls an der Peripherie auftaucht.
Die Handlung bleibt für einen Krimi verhältnismäßig ruhig, nur selten kommt es zu dramatischen, packenden Szenen. Ein wenig unbefriedigend ist der in alle Richtungen ziemlich offene Schluss: Der Mörder steht zwar im Grunde fest, wird jedoch weder tatsächlich überführt noch belangt, und auch die Ministergattin und ihr Sohn bleiben im Untergrund verschwunden, obwohl ihnen die äußere Situation eine Rückkehr gestatten würde - so, als ob die Autorin sie nur als Aufhänger verwendet und dann mehr oder weniger vergessen hätte, wofür dieser Strang jedoch zu viel Umfang einnimmt.
Das Setting, vor allem die Gegend um Carnac, ist perfekt gewählt. Die aus der Bretagne stammende Autorin weiß Orte, Menschen und Landschaft, auch Wetterphänomene, sehr gut für die Handlung auszunützen und stimmungsvoll darzustellen. Die Hauptfiguren wirken plastisch und lebensecht, vor allem Vincent, der zwischen seinem beruflichen Ehrgeiz, gekoppelt mit der von Charlotte ausgehenden Faszination, und der Liebe zu seiner schwangeren Frau hin- und her gerissen ist. Einen eher blässlichen Eindruck erwecken die Nebencharaktere, was jedoch nicht sonderlich schadet. Der Leser erfährt nebenbei viel über die Vergangenheit des bretonischen Landstrichs Aremorica und kann sich vom Lokalkolorit verzaubern lassen.
Wenn es sich bei "Die Schöne von Carnac" auch nicht um einen klassischen Krimi handelt, so bietet das Buch doch gute Unterhaltung und kann vor allem Frankreich-, insbesondere natürlich Bretagnefreunden empfohlen werden.