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26. November 1988 - SAID erhält einen Anruf. Es ist sein Halbbruder, von dessen Existenz er nicht mal etwas wusste. Er möchte, dass SAID mit seiner Mutter spricht und sie trifft.
SAID ist erschüttert. Seine Mutter hat er ein einziges Mal in seinem Leben gesehen. Er war dreizehn Jahre alt. Nun ist er einundvierzig, seit vierundzwanzig Jahren in Deutschland und immer noch heimatlos.
Mai 1990 - Es ist soweit. In wenigen Minuten fliegt er nach Toronto. Seine Mutter hat kein Visum für Deutschland bekommen, die Ayatollahs im Iran sind gegenüber Flüchtlingen und deren Angehörigen kaltherzig. So hat er vorgeschlagen, sich für drei Wochen bei einem ihrer Söhne aus zweiter Ehe, der in Kanada lebt, zu treffen.
Er ist angekommen. Sein Halbbruder holt ihn vom Flughafen ab. Er zittert, ist aufgeregt, hat Angst vor dieser Begegnung. Wie wird sie sein, wie aussehen, was wird sie sagen, fragen, wissen wollen über ihn. Wird sie ihm erzählen, warum sie ihn als Säugling verließ, abgab, abgeben musste? Wird sie erzählen, warum sie wieder geheiratet hat, wie ihr Leben aussah und aussieht? Wird sie ihn fragen, wie er zu den Ayatollahs, zum Schah und seinen Anhängern steht? Was will seine Mutter nach dreiundvierzig Jahren von ihm?
Herbst 2000 - SAID beginnt endlich das letzte Kapitel des Buches, will die offenen Wunden "Heimat" und "Mutter" endlich ad acta legen.
SAID, Exil-Iraner und seit 1965 in Deutschland als freier Autor tätig, hat mit "Landschaften einer fernen Mutter" ein erschütterndes Dokument seiner inneren Zerrissenheit vorgelegt. Vielfach mit Preisen für sein literarisches Werk ausgezeichnet, hat es sich der Autor nicht leicht gemacht. Er kehrt schonungslos sein Innerstes nach außen und lässt den Leser teilhaben an seiner Seelenqual.
Seinem bedingungslos ehrlichen Bericht einer dreiwöchigen Reise nach Kanada folgt zehn Jahre später ein noch härterer, aufwühlender Schlussstrich. Dieses letzte Kapitel erhebt den Bericht zu einem zeitlosen Stück Literatur, zu einem Zeugnis wider die Unmenschlichkeit des Schah-Regimes wie der folgenden, "von Gott gewollten" Herrschaft der Ayatollahs.
Zwar gibt SAID nur in Nebensätzen, Andeutungen und quasi zwischen den Zeilen Auskunft über die politischen Verhältnisse in seiner Heimat und in seinem Inneren - hierüber hat er andere, bekennendere Bücher veröffentlicht - doch ist auch dieses rein persönlich anmutende Buch ein Fanal gegen Unmenschlichkeit und die Anmaßung der Herrschenden, sich über ihr eigenes Volk erhaben zu fühlen.
In erster Linie aber ist dieser knappe, leider ohne jeden Großbuchstaben gedruckte Text ein menschlich tief berührender Bericht über einen schmerzhaften und endgültigen Ablösungsprozess - von seiner Heimat und seiner Mutter -, zumindest gibt dies der Autor vor. Ganz glauben mag ihm das der aufmerksame Leser nicht - zu sehr liebt SAID den Iran und seine Menschen, zu sehr ist er verwurzelt in der die Eltern ehrenden Tradition, die kein Ablösen, kein Widerwort, keine eigenständiges, gottloses Leben erlauben.