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Die Tragödie "Faust" ist Johann Wolfgang von Goethes Lebenswerk, an dem er von seinem 24. bis zu seinem 82. Lebensjahr gearbeitet hat. Für die vorliegende Hörspiel-Produktion der Reihe "Klassik: Jetzt!" von mdr und Argon-Verlag wurde jedoch nicht auf den fertiggestellten "Faust" zurückgegriffen, sondern auf Goethes erste Fassung der Tragödie: den "Urfaust".
"Da steh ich nun, ich armer Tor, / Und bin so klug, als wie zuvor." Der Gelehrte und Wissenschaftler Faust ist verzweifelt: Alles hat er schon versucht, um das Wirken der Welt zu verstehen, um hinter alle Rätsel und Geheimnisse der Natur zu gelangen. "Daß ich erkenne, was die Welt / Im Innersten zusammenhält" ist sein höchstes Ziel. Sogar mit Hilfe der Magie hat er dieses zu erreichen versucht - erfolglos. Da tritt der Teufel Mephistopheles auf den Spielplan und bietet Faust einen Pakt an: dessen Seele gegen alles Wissen der Welt. Ein derartiges Angebot kann Faust nicht ausschlagen und so willigt er ein. Mephisto macht es ihm zudem möglich, mit der jungen Margarete anzubändeln, die Faust seit ihrem ersten Treffen begehrt. Doch langsam begreift Faust, dass der Pakt mit dem Teufel der Beginn seines Untergangs war ...
Wozu sich die Mühe machen und "Faust. Der Tragödie Erster Teil" auf eine Laufzeit von knapp achtzig Minuten herunterkürzen, wenn man doch auf den "Urfaust" zurückgreifen kann? Denn dieser ist schließlich nichts anderes als eine frühe, fragmenthafte Version von "Faust I". Und dennoch wäre die vorliegende Produktion wohl sehr viel besser geworden, wenn man sich genau diese Arbeit des Kürzens gemacht hätte, denn dann hätte man vernünftige Prioritäten setzen können. So nämlich fehlen unglaublich viele wichtige Szenen (zum Beispiel die erste Begegnung zwischen Faust und Mephisto, der Pakt, die Hexenküche oder Fausts Monolog in der Höhle), die für den Handlungsverlauf entscheidend sind, während Abschnitte wie die Trinklieder in Auerbachs Keller ausführlich vorgetragen und gesungen werden. So wirkt die Handlung alles andere als aus einem Guss und aus dem glatten Handlungsverlauf, den der spätere "Faust I" aufweist, wird eine sprung- und lückenhafte Tragödie, bei der der Hörer auch Gedanken, Absichten, Beweggründe und Handlungen der Charaktere nicht mehr zur Genüge nachvollziehen kann. Da helfen auch die Brückenverse nicht, die zur Zusammenfassung fehlender Szenen geschrieben wurden.
Auch die Inszenierung des "Urfaust" gefällt in vorliegender Produktion nur mäßig. Während vor allem Ulrich Matthes? intensive und mit viel Energie vorgetragene Interpretation des Faust positiv auffällt und dessen Zweifel und Zerrissenheit hervorragend zum Ausdruck kommen, scheint es, als wollte der Regisseur die Chöre, Brückenverse und Regieanweisungen Goethes bewusst von den Dialogen und Monologen der Figuren abheben. Das ist an sich eine durchaus naheliegende Idee, doch in diesem Fall wirkt die durch Gesang gestaltete Umsetzung leider gekünstelt und erzwungen.
Fazit:
Schade, dass für diese Produktion nicht auf Goethes großartiges Werk "Faust I" zurückgegriffen wurde. Dieses hätte zwar gekürzt werden müssen, doch wären dann die vielen entscheidenden Szenen, die der Fassung des "Urfaust" noch fehlen, nicht verloren gegangen. So kann man Beweggründe und Gedanken der Figuren sowie den Verlauf der Tragödie leider nur mit Kenntnis von "Faust I" wirklich nachvollziehen.