"Da hat man sich gerade damit abgefunden, dass wahrscheinlich niemand mehr eine wirklich neue Drachengeschichte schreiben wird - und dann kommt Naomi Novik ..." So urteilte Autor Terry Brooks über den Debütroman "His Majesty’s Dragon", den die amerikanische Schriftstellerin Naomi Novik 2006 veröffentlichte. Und tatsächlich: "Drachenbrut" - so der deutsche Titel des Buches - ist vollkommen anders als alles, was man bislang über Drachen gelesen hat.

Als der junge Kapitän Will Laurence beim Kampf mit einer französischen Fregatte während der napoleonischen Kriege in den Besitz eines Dracheneis kommt, wird dadurch sein komplettes Leben auf den Kopf gestellt. Denn der nur wenig später schlüpfende Drache, dem Laurence aus einer Laune heraus den Namen Temeraire gibt, wählt ihn als seinen Reiter aus. Laurence’ militärischer Gehorsam gebietet es ihm, sein geordnetes und zielgerichtetes Leben und seinen gesicherten gesellschaftlichen Stand aufzugeben und ins britische Luftkorps einzutreten, dessen Feuerreiter zwar die Außenseiter und Eigenbrötler der englischen Streitmacht, aber gleichzeitig auch die wichtigste Waffe im Kampf gegen die Truppen Napoleons sind. Schnell jedoch entsteht eine feste Freundschaft zwischen Laurence und seinem Drachen und bald stellt sich heraus, dass Temeraire etwas ganz besonderes ist: Er gehört zur überaus seltenen Rasse der chinesischen Kaiserdrachen und ist überaus intelligent. Damit sind er und Laurence für England von unschätzbarem Wert ...

Das von Naomi Novik geschilderte Europa des anbrechenden 19. Jahrhunderts entspricht weitestgehend der historischen Realität und beschreibt die Ereignisse zur Zeit der napoleonischen Kriege. Einzige Änderung sind die Drachen, die als gewaltige Luftschiffe am Himmel kreuzen und im Krieg als mächtige Waffe eingesetzt werden können. Doch die amerikanische Autorin versteht es so hervorragend, ihre Drachen in die historischen Fakten hineinzuschreiben, dass man am Ende der Lektüre von "Drachenbrut" denken könnte, alles hätte sich tatsächlich genau so zugetragen. Denn Naomi Novik beschränkt sich nicht nur darauf, Drachen auftreten zu lassen, sie gibt ihnen ihre eigene Geschichte, ihren eigenen Einfluss, sogar ihre eigene militärische Einheit - das Luftkorps -, die sie detailliert und akkurat beschreibt.
Allein das ist schon faszinierend genug, um "Drachenbrut" zu einem gelungenen Debütroman zu machen, doch auch die Charaktere, die Naomi Novik entwirft - allen voran natürlich Will Laurence und Temeraire -, erscheinen plastisch und greifbar und entwickeln sich im Verlauf des Romans auf realistische und nachvollziehbare Art und Weise. Auch sprachlich hat die Geschichte ihren Reiz - obwohl die Übersetzung stellenweise recht holprig erscheint -, denn die altmodische Wortwahl passt hervorragend zur Atmosphäre und zum Hintergrund der Erzählung.
Einziges Manko von "Drachenbrut" ist wohl, dass seine Handlung leider ein wenig ziellos vor sich hinplätschert und man auf rasante Action mehr oder weniger vergeblich wartet. Das ändert sich erst im Finale des Buches, das jedoch allzu schnell ein Ende findet.

Fazit:
"Drachenbrut" ist ein gelungener Debütroman, der seinem Leser intensives und langanhaltendes Lesevergnügen bereitet und dabei zwei liebenswerte und plastische Charaktere ausarbeitet. Einzig die Tatsache, dass dieser erste Band um "Die Feuerreiter Seiner Majestät" kein erkennbares Ziel hat, nimmt dem Buch ein wenig die Spannung.