Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Die Amerikanerin Libba Bray veröffentlichte mit "Gemmas Visionen" nach Theaterstücken und Kurzgeschichten ihren ersten Roman, der in den USA gleich ein großer Erfolg wurde. Bei dtv erschien die Geschichte um vier Internatsschülerinnen, die gemeinsam ein fantastisches Geheimnis entdecken, im September 2007 bereits in der zweiten Auflage.
England im Jahr 1895. Nach dem tragischen Tod ihrer Mutter soll Gemma Indien verlassen, um nach London auf das renommierte Mädcheninternat Spence zu gehen. Die widerspenstige und lebhafte Sechzehnjährige soll dort lernen, sich wie eine gesittete Dame der Gesellschaft zu benehmen. Die Eingewöhnung fällt ihr nicht leicht; vor allem die Mädchen Felicity und Pippa, denen die anderen Schülerinnen zu Füßen liegen, machen ihr das Leben schwer. Aber Gemma lässt sich nicht so schnell unterkriegen. Langsam entsteht eine Freundschaft zwischen den dreien, zu der noch Gemmas Zimmergenossin Ann stößt.
Um sich den strengen Regeln des Internats hin und wieder zu entziehen, unternehmen die vier Mädchen nachts hin und wieder einen Ausflug in den nahe liegenden Wald. Dort befindet sich eine Höhle, in der Gemma ein altes Tagebuch gefunden hat. In ihrem jugendlichen Übermut halten die vier Freundinnen damit so etwas wie spiritistische Séancen ab. Was keine der anderen ahnt: Gemma hat wirklich Visionen. Und es kommt der Zeitpunkt, da sie ihre Freundinnen in dieses Geheimnis einweiht
Das alte Klischee der Internatsgeschichte wieder aufwärmen und, weil es gerade modern ist, etwas Fantasy einstreuen, und schon hat man einen neuen Roman? Nein, so einfach ist es bei "Gemmas Visionen" nicht. Die Autorin verbindet Themen, die durchaus aus vielen Geschichten bekannt sind, zu einem unterhaltsamen und kurzweiligen Ganzen. Durch Humor und einen sorgfältigen Spannungsaufbau drückt Bray der Handlung ihren ganz eigenen Stempel auf und bringt so frischen Wind ins Jugendbuchgenre. Stilistisch bietet sich dem Leser höchster Genuss: Frisch und unverbraucht drückt sich die Autorin aus, berücksichtigt Zeit und Ort, aber auch die Charaktere ihrer Protagonistinnen, so dass dieses Zusammenspiel realistisch und packend zugleich wirkt - ein wichtiges Kriterium, das leider nur allzu oft vergessen wird. So erscheinen vor allem die Dialoge passend und nachvollziehbar und hauchen der Handlung Leben ein.
Eine weitere Hürde umschifft der Roman ebenso: die Charakterisierung ihrer Figuren. Die vier Mädchen, die im Mittelpunkt des Geschehens stehen, sind in sich schlüssig und individuell konzipiert. Hier finden sich Gemma als Ich-Erzählerin, die trotzdem geheimnisvoll erscheint, die charmante Felicity, die weniger wohlhabende und scheue Ann sowie die wunderhübsche Pippa zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen. Dass dies nicht von Anfang an so ist und dass sich die Mädchen erst finden müssen, ist klar. Jedoch ist die Art und Weise, wie sie von Feindinnen zu Freundinnen werden, glaubwürdig und geht ohne zu konstruiert wirkende Ereignisse vonstatten.
Bei so viel schönen Aspekten, die sich in "Gemmas Visionen" finden, ist es umso bedauerlicher, dass die eingewobenen fantastischen Elemente des Romans fast ein bisschen zu süßlich geraten. Da hätte etwas weniger Kitsch der Geschichte eine wesentlich rundere Note verliehen.
Seis drum: "Gemmas Visionen" ist ein spannender Roman vor allem für die weibliche Leserschaft und nicht nur etwas für jüngere Leser. Sympathische und natürliche Charaktere verbinden sich mit einer spannenden Geschichte zu einem sehr lesenswerten Roman. Da wartet man umso gespannter auf die Fortsetzung, die im Dezember 2007 bei dtv erscheint.