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London, England, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts: An einem Tag im Herbst werden zwei Jungen geboren. Während der eine, Prinz Edward, als ersehnter Thronfolger im ganzen Land gefeiert und bejubelt wird, ist der andere, Tom Canty, mehr als unerwünscht. Seine Familie lebt in einem der ärmsten Viertel Londons, wo Trunksucht, Gewalt und vor allem Armut herrschen. Die Jahre gehen dahin und beide Jungen wachsen in ihren vollkommen unterschiedlichen Welten heran.
Tom Canty, der unter seinem gewalttätigen Vater und seiner Großmutter leidet, träumt von einem schöneren Leben. Nur ein einziges Mal möchte er den Prinz sehen, möchte Reichtum und Prunk aus erster Hand erleben! So sehr steigert Tom sich in diesen schönen Traum hinein, dass er sogar beginnt, sich wie ein Adeliger zu benehmen, sich gewählt auszudrücken und schön daherzureden. Bei seiner Familie bringt ihm dies Spott und Argwohn ein, doch bei den Gassenjungen und vielen Bewohnern des Armenviertels erwirbt er sich den Ruf, klüger als alle anderen zu sein.
Durch einen Zufall trifft Tom Canty eines Tages wirklich den leibhaftigen Prinz Edward. Es stellt sich heraus, dass der Prinz den Wunsch hegt, einmal frei zu sein und das einfache Leben kennen zu lernen. Die beiden Jungen tauschen ihre Kleidung und stellen fest, dass sie sich verblüffend ähnlich sehen und nicht voneinander zu unterscheiden sind. Es kommt, wie es kommen muss: Der Prinz wird für einen Betteljungen gehalten und auf die Straße geworfen und der unglückliche Tom verbleibt gegen seinen Willen im Palast - und wird auf seine Krönung zum König von England vorbereitet
Verwechslungsgeschichten, in denen zwei unterschiedliche Protagonisten die Rollen tauschen, gab und gibt es viele - zu den bekannteren zählen sicher "Das doppelte Lottchen" und "Drei Männer im Schnee" - beide von Erich Kästner verfasst.
Mark Twain, der mit seinen Figuren "Tom Sawyer" und "Huckleberry Finn" Weltruhm erlangte, schrieb schon viel früher, nämlich 1881, in "Der Prinz und der Bettelknabe" die Geschichte von den beiden Jungen auf, die ungewollt ihre Rollen tauschen und gezwungenermaßen das Leben des anderen leben müssen. Es handelt sich jedoch, anders als in oben genannten Beispielen, nicht um eine Verwechslungskomödie, obwohl es durchaus den einen oder anderen komischen Moment gibt.
Die Kindergeschichte verbindet märchenhafte Elemente mit Gesellschaftskritik. Im Gegensatz zu anderen Autoren beschrieb Twain die Renaissancezeit in England nicht mit verklärender Romantik, sondern zeigte, in welch furchtbarer Armut das einfache Volk damals lebte. Die einfachen, klaren Sätze können schon kleinere Kinder verstehen; anders als in seinen anderen Werken klingt Twain hier fast ein wenig wie Charles Dickens.
Die Geschichte vom Prinz und dem Bettelknaben, die mit ihrer Kleidung ihre Identität tauschen und dann nicht zurück können, ist sowieso schon hoch spannend, klug erdacht und fantastisch erzählt. Dem Ganzen setzt Johannes Steck als Sprecher in diesem Hörbuch aus dem Uccello Verlag - erschienen in der Reihe "Erlesene Klassiker" - aber noch die Krone auf. Steck liest einfach großartig, jede Minute ist ein Genuss. Als strenger König Heinrich VIII., als böser Vater von Tom Canty, als Hofstaat und in vielen weiteren Rollen - Johannes Steck liest lebendig, komisch, überzeugend und unterhaltsam. Auch wenn Erwachsene den Verlauf der Handlung einigermaßen vorhersehen können, werden sie dieser Stimme gerne über die vollen 428 Minuten zuhören. Und für Kinder ist diese Verwechslungsgeschichte einerseits ein großer Spaß, andererseits Hochspannung zum Mitfiebern und regt außerdem zum Nachdenken an - schließlich gilt es immer abzuwägen "Was würde ich tun, wenn ich in dieser Situation wäre?". Zudem wechselt die Perspektive häufig, so dass man Toms Leben im Palast genauso mitverfolgt wie die Schwierigkeiten, in die der echte Prinz im Armenviertel gerät. Einziges Manko dieser Hörproduktion ist die sehr unterschiedliche Länge der Audio-Tracks - manche gehen fast 20 Minuten, so dass ein schneller Einstieg nach einer Hörpause fast unmöglich ist.
Fazit: "Prinz und Bettelknabe" kann zu Recht als Klassiker der Kinderliteratur bezeichnet werden und ist unbedingt den Kauf wert, obwohl der Preis für dieses Hörbuch schon recht hoch ist. Kinder werden wie Erwachsene ihren Spaß daran haben und vor allem die schöne Lesung von Johannes Steck begeistert.