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 Kalteis


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


München in den dreißiger Jahren: Die junge Kathi will ihr Glück in der großen Stadt machen. Jung und lebenslustig, wie sie ist, erhofft sie sich ein aufregendes neues Leben, eins, das besser ist als auf dem Land. Auf der Suche nach einer Anstellung findet sie zunächst Unterschlupf bei einer Bekannten, lernt verschiedene Männer kennen - und trifft schließlich auf ihren Mörder, der mit seinem Fahrrad jungen Frauen auflauert ?

Nach ihrem sehr erfolgreichen Romandebüt "Tannöd" präsentiert Andrea Maria Schenkel nun ihren zweiten Roman "Kalteis". Nach den ersten Seiten drängen sich Vergleiche mit dem Vorgängerband auf, denn auch "Kalteis" beruht auf einem historischen Fall. Während "Tannöd" die bis heute ungeklärten Morde auf dem Einödhof Hinterkaifeck, die sich im Jahr 1922 im Oberbayrischen ereigneten, beschrieb und literarisch aufarbeitete - allerdings verlegt in die fünfziger Jahre -, beschäftigt sich "Kalteis" mit dem Frauenmörder Johann Eichhorn, der 1939 zum Tode verurteilt wurde und der als "Schrecken des Münchener Südens" in die Kriminalgeschichte einging. Eichhorn soll fast hundert Frauen vergewaltigt und fünf von ihnen ermordet haben.

Der Serientäter heißt in diesem Buch Josef Kalteis. Wieder nutzt Schenkel einen Mix aus Erzählung, Vernehmungsprotokollen und direkten Schilderungen der Betroffenen aus der Ich-Perspektive, die sich abwechseln und so die Handlung aus einer Vielzahl von Perspektiven offenbaren. "Kalteis" wirkt wie sein Vorgänger spröde und mutet sprachlich altmodisch und umständlich an, was natürlich am zeitlichen Rahmen, den die Autorin sehr authentisch wiedergibt, und an der bayrischen Sprachfärbung liegt. Zwar sind die Satzkonstruktionen zunächst gewöhnungsbedürftig, dafür fühlt sich der Leser aber unmittelbar in das München der dreißiger Jahre hineinversetzt. Und obwohl die Handlung sich im schicken, weltoffenen München zuträgt, sind auch hier die Frostigkeit der Menschen, der Mief, die Enge aus fast jedem Satz schmerzhaft zu spüren.
Überhaupt ist die Handlung irgendwie schwer zu lesen, man sträubt sich dagegen, verfolgt man doch, wie die naive Kathi auf der Suche nach ihrem Glück nach München reist - und wie die Stadt sie letztendlich verschlingt, so wie viele junge Frauen vor ihr auch. Schon auf den ersten Seiten spürt der Leser das Unheil nahen in Gestalt des Josef Kalteis. Gerade die Verhörszenen sind beklemmend und klug geschildert, denn Andrea Maria Schenkel lässt immer nur Kalteis mit seinen Antworten zu Worte kommen, die Verhörfragen fehlen und müssen vom Leser selbst dazu gedacht werden. Diese Verhörprotokolle erinnern ein wenig an den Film "Der Totmacher" mit Götz George in der Hauptrolle. Lange Zeit passiert in diesem Buch wenig, doch gegen Ende holt die Autorin quasi zum Schlag aus, beschreibt die Gewalttat des Mörders mit ekelhaften Details, die vielleicht nah an der Wahrheit sein mögen, aber sicher nichts für zartbesaitete Leser. Am Ende läuft man merkwürdig ins Leere, fragt sich einen Moment, was dieses Buch nun sollte, was es uns sagen will.

Fazit: Schwieriger Stoff, der sicherlich Geschmackssache ist und nicht jeden Leser ansprechen wird. Eigentlich handelt es sich kaum um einen Krimi, sondern um eine Art psychologisches Protokoll, eine Rekonstruktion der historischen Ereignisse, die dramatisiert, aufbereitet und in einer Montage zusammengesetzt wurden. Man darf hier einfach nicht mit der Erwartungshaltung herangehen, einen klassischen Krimi zu lesen, sondern sollte sich auf etwas Neues einlassen. Der Clou, dass eine Begebenheit sich wie ein Puzzle aus Dokumenten, Zeugenaussagen und Erzähltem zusammensetzt, ist hier allerdings nicht mehr so überraschend und hat nicht den gleichen Reiz wie beim Debüt "Tannöd".
Wem der sehr originelle und packende Erstling der Autorin von der Mach- und Erzählart her gefallen hat, wird sicherlich auch "Kalteis" mögen, wenn auch mit einigen Abstrichen, denn dieses zweite Buch aus der Feder der Autorin wirkt noch ernster, beklemmender und irgendwie weniger im Fluss. Dennoch: ein unkonventionelles Buch und damit auf jeden Fall einen Blick wert.

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 1. August 2007 | ISBN: 9783894015497 | Preis: 12,90 Euro | 154 Seiten | Sprache: Deutsch

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