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Unsere Gesellschaft hat vor allem in den letzten Jahrzehnten eine fatale Tendenz entwickelt zu kalorienreicher, einseitiger Ernährung, einem Minimum an körperlicher Bewegung und, als Konsequenz daraus, zu Übergewicht und einer Reihe von Krankheiten im Bereich von Herz und Kreislauf, Verdauungstrakt und Bewegungsapparat.
Der Titel "Waistland" ist natürlich ein "pun", ein Wortspiel, aufgrund des gleich ausgesprochenen Begriffs "wasteland", "Ödland"; "waist" bedeutet bekanntlich "Taille", und genau hier liegt ja das Problem der von einem Überangebot an billiger, fett- und kohlenhydratreicher Nahrung verführten Wohlstandsmenschen.
Verführt? - Deirdre Barrett zeigt auf, wie sich die Nahrungsmittelindustrie unserer auf Grund evolutionärer Entwicklungen entstandenen Vorliebe für Süßes und Fetthaltiges, somit Energiereiches, bedient, und uns in einen suchtartigen Teufelskreis drängt. Während der Million Jahre menschlicher Entwicklung, in der Kohlenhydrate und Fett eine Mangelware darstellten, erwies sich das Verlangen nach ihnen als sinnvoll fürs Überleben. Heute wirkt es als schädlicher Superstimulus, wie ein überdimensioniertes künstliches Ei, das viele Vogeleltern ihren eigenen kleinen Eiern vorziehen.
In "Waistland" geht es außerdem um die Entwicklung des modernen Menschen zum "Couch Potato", in Amerika bereits im Babyalter durch entsprechende Fernsehsendungen eingeleitet. Auch die Fernsehwerbung, ob direkt durch Werbespots oder geschickt in die Filme integriert, bekommt sozusagen ihr Fett ab. Weitere Kapitel befassen sich mit den Unterschieden unserer heutigen Nahrung zu jener der Jäger und Sammler, auf die unser Stoffwechsel nach wie vor zugeschnitten ist, mit dem so genannten Idealgewicht und seinen Tücken, und mit den Möglichkeiten, wie man sich dem durch Gesellschaft, Wirtschaft und Politik aufgedrängten ungesunden Trott entziehen kann.
Gegen die Nahrungsmittelindustrie zu wettern ist "in" - und, gerade was Fast Food und Unmengen raffinierten Zuckers und versteckter Fette in anderen Nahrungsmitteln angeht, auch völlig berechtigt. Die Autorin weist mittels Psychologie und Physiologie nach, wie uns die Evolution aus einem noch vor gut zehntausend Jahren überlebenswichtigen Mechanismus einen Strick gedreht hat, an dem die Wirtschaft kräftig zieht und die Politik zieht in Form von Subventionen für Getreide-, Zuckerrüben- und Ölfrüchteanbau nach bestem Können mit, statt den Anbau von Obst und Blattgemüse zu fördern. Zwar beschreibt die Autorin vorwiegend die Verhältnisse in den USA, doch diese lassen sich weitgehend auf Europa übertragen oder stehen uns kurz bevor.
Indes liegt es der Autorin fern, nur pauschal zu verteufeln und die Verantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit geflissentlich zu übersehen. Indem sie die Mechanismen von Biologie und Markt aufzeigt, macht sie dem Leser bewusst, wie seine Probleme mit einem gesunden, "artgerechten" Lebensstil entstehen, und sie weist auf Wege und Möglichkeiten hin, wie jeder Mensch aus dem Teufelskreis aussteigen kann. Auch die Eltern werden in die Pflicht genommen: Können sie es verantworten, ihre Kinder der Reiz- und Reklameüberflutung und Bewegungsarmut des Sedativums namens Fernseher zu überlassen, um ein paar Stunden "Ruhe" vor ihnen zu haben, und sie somit von klein auf in den beschriebenen Teufelskreis einzugliedern?
Sehr klar legt die Autorin dar, dass es nicht angehen kann, wie schon junge Menschen trotz Übergewichts oder gar Fettleibigkeit mit vielen Nährstoffen unterversorgt sind, weil sie sich, den von allen Seiten auf sie eindrängenden Superstimuli gehorchend, kalorienreich und dabei mineralien- und vitaminarm ernähren. Depressionen kommen hinzu, denen man unter anderem mit Sport auf ganz natürliche Weise begegnen könnte. Deirdre Barrett weist zudem auf ein anderes eigenartiges Phänomen hin: Menschen mit einem scheinbar idealen BMI (Body Mass Index), die jedoch mangels sportlicher Aktivitäten kaum Muskulatur aufweisen.
Anders als viele Autoren von Gesundheitsratgebern, deren Lebensideal postromantisch im 19. Jahrhundert angesiedelt zu sein scheint, verweigert sich Deirdre Barrett nicht dem technischen Fortschritt, nicht einmal oder jedenfalls nicht pauschal der grünen Gentechnik. Vielmehr legt sie den Finger gezielt in die großen Wunden unserer Kultur, analysiert sie und bietet praxisorientierte, erprobte Lösungen an. Die unkomplizierte Sprache, zahlreiche eingestreute Cartoons und der auf ein nicht fachkundiges Publikum ausgerichtete Stil sorgen für kurzweilige Lektüre.
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