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Fahrradfahrer, für die der Drahtesel nicht nur reines Mittel zum Zweck ist, nämlich "mal eben" schnell und billig von A nach B zu gelangen, sondern eher eine Philosophie oder zumindest ein geschätzter Gefährte, befassen sich gern mit den Themen dieses Buchs: Geschichte, Technik und Entwicklung des Fahrrads und des Radsports.
Die Aspekte "Technik" und "Entwicklung" sind im Buch in die geschichtliche Chronologie eingebettet. Den Beginn des Phänomens Fahrrad markiert das Laufrad, nach seinem Erfinder auch Draisine genannt und, wie der Autor anhand vieler Quellen aufzeigt, zunächst vor allem bei der oberen Gesellschaftsschicht sehr beliebt. Auf die Draisine folgt das Veloziped, das bereits mit Pedalkurbeln aufwarten kann, die allerdings, gänzlich anders als heute, am Vorderrad angebracht sind. Zur Beherrschung dieses Geräts ist einiges Geschick erforderlich, denn nur über eine gewisse Radgröße kann eine attraktive Geschwindigkeit erreicht werden. Als komfortabler erweisen sich drei- und vierrädrige Varianten, die im Buch ebenfalls angemessen behandelt werden.
Das Hochrad, heute als Kuriosität bestaunt, stellt die logische Fortentwicklung des Velozipeds dar und wird einschließlich mancher "Abart" vom Autor ausführlich beschrieben und gewürdigt. Erst recht spät kommt das Niederrad auf mit seinem Kettenantrieb, das gleich große Räder von relativ geringem Umfang zulässt. Damit ist der Siegeszug des Fahrrads nicht mehr aufzuhalten, auch wenn das Auto und Wirtschaftskrisen bisweilen für Einbrüche auf dem Markt sorgen.
Gegen Ende des Buchs werden auch die modernen Entwicklungen BMX-Rad und Mountainbike sowie die Rolle des Fahrrads und seine Akzeptanz bei Bürgern und Politikern in den verschiedensten Ländern betrachtet.
Fahrrad-Liebhaber werden von diesem Buch begeistert sein, sofern sie Interesse an der Historie mitbringen. In diesem Buch findet man unkomplizierte Erläuterungen zur Entwicklung der Technik, wobei auf praktisch alle historischen Typen und Sonderwege eingegangen wird. Der Autor befasst sich mit den Problemen der verschiedenen Typen bezüglich Handhabung und Fahrkomfort, er bringt die zahlreichen Erfinder und Geschäftsleute ein, die Fahrräder entwickelt und gebaut haben, er zitiert aus den unterschiedlichsten Bereichen der Literatur Werke, die sich mit Fahrrädern befassen, er berichtet von der Etablierung der berühmten Rennklassiker, und vor allem untersucht er den Einfluss des Fahrrads auf gesellschaftliche Entwicklungen: So vertraten frühe Feministinnen die begründete Ansicht, das Fahrrad habe die Emanzipation der Frau erst ermöglicht und eingeleitet, phasenweise konnten sich in den Clubs Angehörige verschiedener Schichten zwanglos begegnen, und die Notwendigkeit von Straßen, die den Bedürfnissen der immer zahlreicher werdenden Radler entgegenkamen, leiteten eine Verbesserung der Infrastruktur ein, die später dem Autoverkehr enorm zugute kam. Nicht zuletzt waren es technische Errungenschaften der Fahrradentwicklung, auf die erste Autobauer zurückgriffen, beispielsweise die luftgefüllten Reifen, die modernen Lager und die - ähnlich wie später beim Auto - bei einem Fahrradtyp vorübergehend verwendete Kardanwelle. So erfährt der Leser, dass die Bedeutung des Fahrrads für die allgemeine Technikgeschichte zumeist unterschätzt wird.
Gerade unter dem Umweltschutzaspekt sind zudem die Untersuchungen zur Situation von Radwegen und zur Akzeptanz des Fahrrads als Verkehrsmittel in Ländern vor allem des Westens und der Schwellenländer sehr interessant. Freizeitsportler wissen außerdem die Ausführungen über neuere Fahrradvarianten zu schätzen. Hier freilich fehlt dann doch so manche aktuelle Entwicklung, nicht nur, was die auf den individuellen Bedarf zugeschnittenen Typen wie Fitness-, Trekking- oder Tourenrad angeht, sondern auch verwendete Materialien für den Rahmen und Komponenten etwa bei Bremsen und Schaltung.
Das Buch ist reich und qualitativ sehr hochwertig illustriert, nicht nur mit Komplett- und Detailaufnahmen historischer Fahrradtypen, sondern auch mit Cartoons, Werbeplakaten, Fotos von unerschrockenen Hochradfahrern und sonstigen Radtouristen einschließlich der sich emanzipierenden Damenwelt und vielen anderen Zeugnissen der wachsenden Bedeutung des Drahtesels. Wer weitere Informationen benötigt, erhält diese im Anhang, wo nach Ländern geordnet Fahrradorganisationen, Arbeitsgruppen zur Fahrradgeschichte, Museen und Sammlungen, Literatur und vieles mehr aufgeführt sind.
Dieses Buch lässt das Herz von Fahrradliebhabern, besonders jenen mit einem Faible für Technikgeschichte, höher schlagen. Es ist eine perfekte Verbindung aus Sachbuch und Bildband, befasst sich auch mit den beachtlichen Auswirkungen des Fahrrads auf die Gesellschaft und die Entwicklung der Motorfahrzeuge und besticht, mit Ausnahme der erwähnten aktuellen Aspekte, durch seinen Detailreichtum.