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Ein bedauernswertes Vorurteil besagt, dass sich bei "Michel Vaillant" alles um Räder und Motoren dreht und die Figuren eigentlich Nebensache sind. Ein Band wie "Irish Coffee" könnte den Comicfan eines Besseren belehren, denn hier steht nicht Michel selbst im Mittelpunkt, sondern sein Vater. Ein Freund aus Irland lässt Henri Vaillant über einen Mitarbeiter bitten, schnell zu ihm zu kommen, weil er krank sei. Als Henri in Irland eintrifft, findet er seinen Freund aber kerngesund vor - und polternd wie eh und je. Ein Rätsel reiht sich ans andere und nachts taucht vor Henris Zimmerfenster gar noch ein geheimnisvoller Fahrer in einem Oldtimer auf, der dort lärmend seine Runden dreht?
Man sollte von "Vaillant" nicht erwarten, dass er älter wird oder sich den Zeitströmungen anpasst. Wie "Superman" ein Aushängeschild für den amerikanischen Comic geworden ist und sich ebenso wie die Coca-Cola-Flasche niemals ändert, lebt auch Michel Vaillant alterslos in einem sozusagen zeitlosen Raum. Was sich verändert, sind die Kollegen, mit denen er fährt, die Technik, da und dort ein kleines Detail im Design der Rennwagen und vielleicht die Umgebungen. "Vaillant bleibt Vaillant" - das ist in einer Zeit der ständigen, manchmal grundlosen Änderungen auch ein gewisser Trost für den Fan. Tabus werden nicht gebrochen, das ist das Studio den von Jugend auf treuen Lesern schuldig. Sie würden sich zu Recht mit Grausen abwenden, wenn plötzlich Elemente auftauchen würden, die dem hart erarbeiteten Genre fremd wären.
Vater Gratons Verdienst ist es, den Rennsport für den Comic salonfähig gemacht zu haben. Sein Sohn Philippe führt nun mit den Mitarbeitern des Studios die Arbeit seines Vaters weiter. "Irish Coffee" kommt aus der Zeit, als Vater Graton noch lebte und zeichnete, vor allem die Figuren. Die Wagen (und das Steuer) hatten längst andere übernommen. Ihm wurde immer vorgeworfen, seine Gesichter und Körper würden aussehen wie mit dem Lineal gezeichnet - leblos und steril. Zugegeben, sie wirken ein bisschen eckig - schließlich müssen sie aber auch zu den schnittigen Rennwagen passen. Was das Studio aber in diesem Album abliefert, ist neben tollen Zeichnungen mit Oldtimern, französischer Architektur und einer wunderschönen Umgebung auch noch eine spannende Geschichte für jedes Lesealter. "Vaillant" ist auch für kindliche Comic-Leser völlig unbedenklich und liefert Spannung, gute Comic-Arbeit und professionelle Dramatik. In "Irish Coffee" kehrt das Studio vor allem auch die menschlichen Höhen und Tiefen von Vater Henri heraus und die verschiedenen Gesichter sind wesentlich lebendiger als ihr Ruf. Hat schon mal jemand Gratons Talent für Gesichtsaudrücke gewürdigt?
Ich habe die Lektüre dieses "Vaillant" genossen, zumal er einfach mal etwas anders ist. Hier wird nicht von Rennen zu Rennen gestolpert, sondern ein kleiner Einblick in ein atmosphärisches Land und den Hintergrund der Familie Vaillant gewährt. Am Schluss des Bandes steht sogar noch das Rezept für "Irish Coffee", der auch in der Geschichte ausgiebig genossen wird. Allerdings sollten kindliche Leser hier vielleicht etwas vorsichtiger sein ?
Prost Kaffee!