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 Qual

Autoren: Stephen King
Übersetzer: Jürgen Bürger
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Vor über dreißig Jahren wanderte der Roman "Blaze" in eine Kiste, in der Stephen King sein gescheitertes Material aufbewahrt, und geisterte ansonsten nur durch die Hirne seiner Fans, die natürlich von diesem Bachman-Buch wussten. Richard Bachman war Stephen Kings Pseudonym, unter dem er unter anderem mit "Todesmarsch" ein echtes Meisterwerk veröffentlichte. Die Bachman-Bücher hatten immer eine etwas andere Stimmung als die Bücher, die unter dem Namen King herauskamen, und so kann man natürlich auch aus dieser Sicht gespannt sein, wenn über dem Romantitel die Worte "Stephen King schreibt als Richard Bachman" prangen. King hat seinen alten Roman grundlegend überarbeitet; so ist dieses Buch praktisch eine Zusammenarbeit zwischen einem recht jungen erfolglosenAutor und dem vor kurzem sechzig gewordenen Bestsellerschreiber.
Dass "Blaze" in der deutschen Ausgabe "Qual" heißt, ist ein neuerliches Beispiel dafür, dass King von seinen deutschen Verlegern scheinbar nicht so richtig ernst genommen wird. Der reißerische Titel hat nichts mit dem Buch zu tun; wer immer dafür verantwortlich ist, sollte in Zukunft von Büchern ferngehalten werden.

Blaze, eigentlich Clay Blaisdell junior, war mal ein intelligenter Junge, allerdings nur, bis sein Vater ihn zur Strafe für irgendwas gleich mehrfach eine Treppe hinunter warf. Seitdem hat der inzwischen erwachsene Mann, ein Riese von Statur, eine bedrohliche Macke in der Stirn und er ist langsam, was das Denken angeht.
Vom Schicksal wird Blaze in seiner Jugend durch ein sadistisches Kinderheim und einige andere Probleme geschleift, sein einziger Freund John stirbt viel zu früh an einer Rheumaerkrankung, die niemand festgestellt hat, und nach ein paar Jahren Jugendknast steht Blaze auf der Straße. Er hat das Glück oder Pech an den Kleinganoven George zu geraten, der sich um ihn kümmert und mit ihm kleinere Dinger dreht, die meistens ohne Schwierigkeiten und Gewalt ablaufen, aber genauso selten wirklich Profit abwerfen.
Georges letzte Idee, ein großes Ding zu drehen, ein Baby zu entführen und das Geld per Flugzeug abwerfen zu lassen, vermacht er Blaze, denn er wird bei einer Würfelpartie von einem schlechten Verlierer niedergestochen.
Aber seitdem ist George immer wieder präsent, in Blaze Kopf, er hört den toten Freund und macht deswegen mehr richtig, als man ihm zutrauen würde. Blaze zieht den Coup durch, doch das Baby, der kleine Joe, rührt auch das große Herz des simplen Riesen, der sich wirklich liebevoll um ihn kümmert.

"Wenn die Toten zu flüstern beginnen", steht auf der Rückseite des Buches und soll wohl eine Horrorkomponente ins Spiel bringen, die "Blaze" nicht hat. Das Marketing ist hier offensichtlich wichtiger als das Buch, und dass ein Verlag so mit dem erfolgreichsten lebenden Schriftsteller umgeht, ist zumindest unnötig, eigentlich aber noch eher ärgerlich.
"Blaze" ist kein Horrorroman, eine wirkliche übersinnliche Komponente gibt es nicht, Blaze hört halt nur Stimmen, bei stark eingedellter Stirn soll so was schon mal vorkommen. Dieses Buch ist ein bisschen Thriller, ein bisschen Schicksal, und ganz viel Atmosphäre. Der Roman spielt in einem nicht ganz realen Amerika vor nicht allzu langer Zeit. King hatte etwas Schwierigkeiten, seinen alten Roman in eine neue Zeit zu bringen, daher ließ er die Zeitkomponente fast beiseite fallen, was aber keineswegs stört. So fühlt sich der Roman einerseits wie ein ganz alter King an, oder besser wie ein Bachman, ist ein bisschen schmutzig, ein bisschen rau, andererseits hat King auch seine heutige Reife in das Buch investiert. So lässt er den Leser in das Denken von Blaze eindringen, erzählt die fast kitschig-schaurige Jugend des Jungen in immer richtig starken Rückblicken, die oft noch die eine oder andere Überraschung bereithalten.
Dazu kommen eine Kriminalgeschichte, die gut funktioniert, sehr spannend ist, und die Streitgespräche mit George, die oft recht witzig sind - Dialoge sind ja seit jeher eine von Kings größten Stärken. Also eine Menge guter Zutaten für ein Buch, das sicherlich nicht zu einem Klassiker reicht, sich aber in die lange Reihe von guten Kings einreiht. Speziell die Fans von Kings Frühwerk werden hier richtig Spaß mit haben, ein paar Blaze-ähnliche Figuren kennt man aus späteren Büchern, Tom Cullen aus "The Stand" zum Beispiel.
Wie immer toll erzählt, spannend und witzig, ein rauer kleiner Roman, absolut lesenswert.

Holger Hennig



Hardcover | Erschienen: 01. August 2007 | ISBN: 9783453265837 | Originaltitel: Blaze | Preis: 19,95 Euro | 350 Seiten | Sprache: Deutsch

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