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 Das Glück der Unerreichbarkeit


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Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Heutzutage ist jeder für jeden erreichbar. Dank E-Mail und Handy ist jeder auf Abruf bereit. Doch nicht nur das, auch der Selbstwert wird manchmal (nicht nur von Jugendlichen) daran gemessen, wie oft man angerufen wird: ob nun von den Freunden (denn man ist so hipp, dass ohne einen selbst keine Party richtig läuft) oder von den Kollegen und vom Chef (denn man ist so wichtig und so unersetzlich, dass man auch beim romantischen Candlelight-Dinner mit der Liebsten das Handy eingeschaltet lässt).
Miriam Meckel hat dieses Verhalten untersucht und zieht ihre eigenen Schlussfolgerungen, denn trotz aller neuer Kommunikationsmittel gilt: mehr Kommunikation bedeutet nicht unbedingt eine bessere Kommunikation.

Schritt für Schritt untersucht Meckel alle Verhaltensweisen und zeigt Probleme auf. Sie beginnt mit der Aussage, dass wir immer im "Standby" sind, immer bereit, sofort loszulegen, sollte uns jemand anrufen. Allerdings bedeutet das nicht, dass wir dadurch mehr erledigen - im Gegenteil, durch die häufigen Störungen bleibt Arbeit liegen und der Berg an Akten auf unserem Schreibtisch wächst genauso bedrohlich an wie unsere To-Do-Liste.
Das führt dann zu Multitasking. Allerdings ist das auch keine gute Lösung, denn dadurch werden Sachen zwar erledigt, aber weitaus schlechter als wenn man sich auf eine Aufgabe allein konzentriert, da man ja hin- und herspringen muss.

Das alles führt laut Meckel unweigerlich zum Burnout: immer abrufbereit, immer beschäftigt und nie Zeit zum Luftholen und Nachdenken.

Doch was hat zu diesem Zustand geführt? Meckel führt die "Entgrenzung von Lebensort und Lebenszeit" an. Viele Menschen sind gezwungen, dorthin zu gehen, wo die Jobs sind - und nicht immer können die Liebsten mitkommen. Es entstehen immer mehr Wochenendbeziehungen. Unter der Woche wird natürlich per E-Mail und Handy miteinander kommuniziert - man möchte ja trotz der räumlichen Trennung wissen, wie es dem anderen geht und was er so macht. Das hat die Art der Liebeskommunikation stark verändert. Statt einen altmodischen Liebesbrief zu schreiben, wird da schnell auf der Tastatur rumgehämmert und es werden Emoticons verschickt.

Zudem hat das Internet zu einer Veränderung von Liebesbeziehungen überhaupt geführt: so viele Online-Beziehung wie heute gab es noch nie. Da wird in Chatrooms und per E-Mail geflirtet, was das Zeug hält, oft auch offenherziger als es bei einem Treffen von Angesicht zu Angesicht der Fall wäre.

Aber stärkt das nun unsere Identität oder schwächt es sie? Nun, es kann beides geschehen, und wie so oft im Leben macht das Maß die Dinge. Denn trotz allem haben die neuen Kommunikationsformen auch ihre guten Seiten. In erster Linie verbinden sie und schaffen neue Wege zu kommunizieren, ohne die die heutige Gesellschaft sehr viel schlechter dran wäre.

Daher spricht sich Meckel für Ruhephasen aus, für Zeiten, zu denen man das Handy einfach ausschaltet. Man muss sich diese Oasen der Stille und der Unerreichbarkeit gönnen, um Geschehenes zu verarbeiten und wieder Kraft tanken zu können.

Auf eine sehr verständliche Art und Weise legt Meckel ihre Gedanken dar und bringt sie dem Leser näher. Man fühlt mit ihr, wenn sie von Episoden aus ihrem stressigem Alltag erzählt und wie sie Wege und Mittel sucht, sich davon zu befreien. Das berührt nicht nur, das macht auch selbst nachdenklich. Wenn Meckel von ihrer vollen Inbox erzählt, dann fallen einem selbst auch die E-Mails ein, die man eigentlich schon vor Tagen hatte beantworten wollen. Ihr Vorschlag, sich feste Zeiten zu veranschlagen, in denen man ganz bestimmten Aufgaben nachgeht (Meckel nimmt sich alle zwei Tage ein paar Stunden Zeit, um ihre Mails zu beantworten), klingt nicht nur vernünftig, er ist es auch. Durch das bewusste Zeitnehmen für einzelne Aufgaben kann man diese nicht nur schneller, sondern auch besser erledigen. Man muss dann zwischendurch nicht auch noch fünf andere Sachen erledigen.

Alles in allem ist Meckel ein eindrucksvolles Buch gelungen. Sie legt den Finger in die Wunde, zeigt Verhaltensweisen auf, die uns schaden können und schafft es damit, den Leser wachzurütteln. Nach der Lektüre wird man mit Sicherheit auch sein eigenes Leben durchforsten und sich überlegen, wo man selbst sich etwas mehr Lebenskomfort zurückholen kann.

Sabine Hunsicker



Hardcover | Erschienen: 01. September 2007 | ISBN: 9783867740029 | Preis: 18 Euro | 271 Seiten | Sprache: Deutsch

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