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Brügge Mitte des 16. Jahrhunderts: Der Färberlehrling Claes lebt seit seinem zehnten Lebensjahr im Haus der Familie Charetty. Mit inzwischen achtzehn Jahren ist er sich trotzdem nicht zu schade für den einen oder anderen Streich, meist zusammen mit Felix Charetty, dem ein Jahr jüngeren Sohn und Erben des Charetty-Hauses. Auch der Rechtskonsulent Julius steht im Dienste der Charettys und ist gleichzeitig Erzieher von Felix, der eines Tages mit dem nötigen Ernst die Nachfolge als Leiter des Handelshauses antreten soll. Ein paar der Dumme-Jungen-Streiche von Claes und Felix ziehen weitere Kreise als geahnt, und Claes zieht die Feindschaft des schottischen Adeligen Simon von Kilmirren auf sich.
Die meisten sehen in dem gutmütigen Claes mit dem umwerfenden Lächeln nur einen mittellosen Diener, mit dessen Intelligenz es nicht gerade weit her ist. So kommt es, dass fast niemand Claes grandiosen Aufstieg vorhersieht, denn der junge Mann verfolgt mit Ehrgeiz und Klugheit hohe Ziele, die ihn sogar für die Medici, zu damaliger Zeit eine der einflussreichsten Familien im Ringen um Ansehen und Macht, hochinteressant machen. Das ruft natürlich auch Neider und Feinde auf den Plan
Dorothy Dunnetts Roman "Niccolòs Aufstieg" ist nur der erste Band einer achtteiligen Serie von historischen Romanen, in deren Mittelpunkt der Färberlehrling Claes steht. Wie Claes - die Kurzform des Namens Nicholas - schließlich zu Niccolò wird und seine Vergangenheit als einfacher Lehrling hinter sich lässt, beschreibt sie ausschweifend, mit Lust an historischen Details und mit hoher Komplexität. Der Leser wird geradezu geflutet mit einer Vielzahl an Namen, von denen einige historisch verbürgt und andere erfunden sind, mit Titeln, Geschäftskonstellationen, wirtschaftlich und politisch bedeutsamen Orten und Interessen.
Der Einstieg in diesen Roman fällt nicht leicht, denn er unterscheidet sich durch seinen Anspruch und seine Sprache durchaus von vielen anderen Historienromanen auf dem Buchmarkt. Hat man sich aber einmal eingelesen in diese Mischung aus Familiengeschichte, Liebesroman, Wirtschaftskrimi und historischer Geschichtsstunde, dann erkennt man schnell, wie grandios Dorothy Dunnett schreibt. Zu jeder Zeit ist man zum aktiven Mitdenken aufgefordert, ja genötigt, denn die Autorin versucht gar nicht erst, jede Kleinigkeit zu erklären. Man muss sich teilweise selbst einen Reim auf die vielen Pläne, Interessen und Absichten der Protagonisten machen, was ohne ein Verständnis der damaligen Strukturen oft nicht einfach ist.
Die Hauptfigur - der wunderbare Claes mit seinem betörenden Lächeln - ist sicher eine der großartigsten und faszinierendsten Figuren historischer Romane, die je geschrieben wurden. Von den meisten für etwas beschränkt gehalten, kämpft sich Claes, der viel mehr weiß, als die meisten ahnen und sich damit teilweise in höchste Gefahr bringt, stetig nach oben. Allein die Schilderungen seiner unvergleichlichen Art, seiner Taten und Pläne machen den Roman lesenswert. Doch auch die Charakterisierung der anderen Romanfiguren ist Dorothy Dunnett ausgezeichnet gelungen.
Der erste Roman der Reihe um den Aufstieg des Hauses Niccolò zur Zeit der Renaissance macht süchtig nach der ganzen Serie, wenn man am Anfang als Leser etwas langen Atem beweist und bereit ist, sich in der Vielzahl von Namen und Bündnissen zurecht zu finden.
Eine Auflistung der wichtigsten Personen am Anfang des Romans macht dies etwas einfacher, auch die beigefügte Karte von Europa zur damaligen Zeit erleichtert das Verständnis. Eine besondere Erwähnung verdient noch die schöne, hochwertige Aufmachung aus dem Klett-Cotta Verlag, die mit einem extra gestalteten Lesezeichen, Lesebändchen und hübscher Covergestaltung aufwarten kann.