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Das Leben ist vergänglich - doch wie mit diesem Wissen umgehen? Adam Phillips zeigt in seinem Essay "Darwins Würmer und Freuds Tod" anhand der Schriften ebenjener Wissenschaftler, dass der Tod nichts ist, vor dem man sich fürchten muss.
Nach dem Vorwort, in dem der Autor unter anderem erklärt, warum er gerade diese beiden ausgewählt hat, folgt jeweils ein Kapitel über Darwin und eins über Freud. Mit einer Zusammenfassung seiner Erkenntnisse endet der 116 Seiten lange Essay. Dann folgt noch eine Literaturliste und ein Index.
Als Darwin im 19. Jahrhundert seine Evolutionstheorie veröffentlichte, schlug ihm eine Welle des Protestes entgegen, war man doch damals noch davon überzeugt, dass der Mensch, von Gott geschaffen, auch einen höheren Lebenszweck hatte und nicht durch spontane Mutationen entstanden sein konnte. Darwin wendete sich daraufhin den Würmern zu - und stellte fest, dass diese, rein zufällig und ohne Absicht, den Menschen nützlich waren, indem sie unwirtlichen Schutt in Erde verwandelten, die zum Ackerbau verwendet worden konnte. Dies nahm er zum Anlass, den Tod als weniger wichtig zu erachten - denn auch der Mensch zerfällt irgendwann zu Staub und trägt damit bei, vielen anderen Lebewesen das Leben erst zu ermöglichen.
Auch die Tatsache, dass die Würmer durch Zufall hilfreich waren, nutzte er, um seine Theorie zu untermauern: wenn Würmer, die ja nun doch keine Intelligenz besitzen, zu so etwas fähig sind, warum sollte dann ausgerechnet der Mensch einen höheren Zweck besitzen?
Die Brücke zu Freud zu schlagen, fällt auf diesem Hintergrund schwer - und auch Phillips tut sich damit schwer. Stellenweise steht die Argumentation auf recht wackligen Beinen und die Analogien zwischen beiden sind manchmal sehr schlecht nachvollziehbar.
Denn Freud, so Phillips, hat sich auch mit dem Tod beschäftigt, allerdings auf eine sehr viel andere Art und Weise. Laut Freud gibt es als Pendant zum Lustprinzip, das darauf aus ist, möglichst viel Vergnügen zu haben, den Todestrieb, der uns dazu zwingt, uns unseren Tod ständig vor Augen zu halten. Wir möchten einen "persönlichen" Tod sterben, Zeitpunkt und Todesart von uns selbst gewählt. Wir möchten die Kontrolle behalten über etwas, das nicht zu kontrollieren ist.
Diesen Todestrieb verknüpft Phillips mit Freuds Ablehnung von Biographien - der Zweck der Biographie ist dem der Psychoanalyse nicht unähnlich: Beide wollen das Leben einer Person möglichst komplett beschreiben. Doch Zufall, Vergessen, unsere Triebe und viele andere Faktoren machen es de facto unmöglich, irgendwen korrekt und komplett zu beschreiben. Eine Biographie ist immer der Auswertung unterworfen (und Freuds eigene Biographie wurde nur geschrieben, um der Legendenbildung Einhalt zu gebieten - mit oder weniger Erfolg).
Der Trieb nun veranlasst uns, unser Leben möglichst komplett zu leben, um dem Tod damit ein Schnippchen zu schlagen.
Phillips Moral aus den Lehren dieser beiden ist: Der Mensch soll sich nicht so wichtig nehmen - denn immerhin haben wir ja
keinen höheren Zweck und müssen uns vor keiner Gottheit beweisen - und er soll seinen Tod nicht fürchten, sondern sich mit ihm arrangieren - denn er kann ihm und dem damit verbundenen Leiden sowieso nicht entkommen.
Ob das nun dem Leser "den Schrecken vor der eigenen Sterblichkeit" nimmt, bleibt fragwürdig. Wer nicht sehr mit den Schriften von Darwin und Freud vertraut ist, wird einige der Aussagen, die Phillips trifft, nur schwerlich nachvollziehen können. Oft bleibt der Zusammenhang zwischen Dingen unklar, Übergänge verwirren und Schlüssen kann man oft nicht recht folgen. Da helfen auch die eloquentesten Sätze nicht.
Sich gut ausdrücken, das kann Phillips. Seine Argumentation und seine Aussagen jedoch überzeugen weit weniger als seine Rhetorik. Dieses Buch kann nur Darwin- und Freudkennern bedenkenlos empfohlen werden - alle anderen werden wohl das Nachsehen haben.