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Kein Premierminister Englands war jemals so lange im Amt wie Adam Lang. Nun sollen die Memoiren des charismatischen Ex-Staatoberhaupts veröffentlicht werden. Der Verlag hat für Langs Lebensgeschichte satte zehn Millionen Dollar geboten - unter zwei Bedingungen: Das Buch muss in zwei Jahren fertig sein. Und es soll eine schonungslose Offenbarung von Langs Kampf gegen den Terrorismus sein. Der Abgabetermin rückt näher, und das Unfassbare passiert: Mike McAra, Langs Ghostwriter, wird tot am Strand von Martha's Vineyard in den USA angespült, wo er das Buch schrieb. Selbstmord, Unfall oder gar Mord?
Als Ersatz wird nun in aller Eile ein neuer Ghostwriter angeheuert, der bisher die Memoiren von Rockstars und Sportlern schrieb. Er soll Langs Memoiren pünktlich zum Abgabetermin fertig machen und für vier Wochen Arbeit 200.000 Dollar erhalten. Als der Ich-Erzähler in Martha's Vineyard eintrifft, stellt sich nicht nur McAras bisher verfasstes Manuskript als so gut wie unbrauchbar - weil gähnend langweilig - heraus. Der neue Ghostwriter stolpert nun auch in eine zunehmend unüberschaubare politische Affäre hinein, die sich schließlich zur Bedrohung für sein Leben - und nicht nur seins - auswächst. Was hatte es mit dem Tod von Mike McAra auf sich? In welche politischen Intrigen und Machenschaften war der frühere Premierminister Adam Lang verstrickt?
Robert Harris ist vor allem bekannt als Verfasser hoch spannender Thriller aus dem alten Rom - seine Romane "Pompeji" und
"Imperium" waren Welterfolge. Mit "Ghost" begibt er sich wieder in die Gegenwart. Herausgekommen ist ein spannender und hochaktueller Polit- und Verschwörungsthriller, der unübersehbar deutliche Anleihen an die aktuelle Weltpolitik nimmt. Der pro-amerikanische Ex-Premier Adam Lang trägt ohne Zweifel die Züge des kürzlich aus dem Amt geschiedenen Tony Blair, seine ehrgeizige Frau Ruth Lang soll wohl Cherie Blair, Gattin des früheren Premiers, darstellen. In einem Interview wies Harris mehrmals darauf hin, dass sein Werk als "Satire" gemeint sei. Davon ist jedoch nicht übermäßig viel zu spüren. Die Sunday Times hat den Roman als "originellste Blair-Biographie des Herbstes" bezeichnet. "Lang ist nicht Blair, aber es steht jedem frei, in seine Person hineinzuinterpretieren, was man will", ließ der Autor vorsichtig verlauten. Blair wiederum soll gesagt haben: "Ich weiß nicht, was Robert sich dabei gedacht hat."
Bezeichnenderweise ist der fiktive Politiker Adam Lang im Buch in eine Affäre verstrickt, deren Thematik derzeit auch in Deutschland die Gemüter erhitzt: Der Premierminister (im Roman) soll vier britische Staatsbürger in Pakistan an die USA überstellt haben, woraufhin sie mittels geheimer Flüge in CIA-Gefängnisse gebracht und dort gefoltert wurden, wobei einer der Männer starb. Adam Lang soll nun vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt werden. So weit, so fiktiv. Doch damit ist Robert Harris' Thriller noch lange nicht erschöpft. Er verwickelt seinen Protagonisten, den unglücklichen Ghostwriter, in eine brisante Geschichte voller Stolperfallen und Enthüllungen, die die Weltpolitik in Aufruhr versetzen würden, kämen sie ans Licht ...
Der Kunstgriff, einen Ghostwriter erzählen zu lassen, ist vergleichbar mit der Figur des Sklaven Tiro, der in "Imperium" hautnah aus Ciceros Leben zu berichten wusste. Zum einen hat Harris' Hauptfigur hier die Möglichkeit, aus erster Hand von den politischen Gegebenheiten zu berichten und sozusagen aus dem Nähkästchen zu plaudern - denn fast niemand ist einem Politiker so nah wie sein Ghostwriter, der die Memoiren verfasst.
Zum anderen hat der Erzähler eine besondere Rolle, die den Leser zu keiner Zeit langweilt. Jeglicher Überdruss, der beim Leser bei den Stichworten "Politik", "Premierminister" und "Lebenslauf" aufkommen könnte, macht Harris schon vorher zunichte, denn sein Ghostwriter stammt eben nicht aus dem Politikgeschäft. Er hat vorher die Lebensgeschichten von Stars und Sternchen verfasst und steht daher der Politik uninteressiert und relativ unschuldig gegenüber.
Harris ist ein meisterhafter Thrillerautor, der die Spannung peu à peu aufbaut und düstere Hinweise säht, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Gegen Ende passiert dann etwas, das die Geschichte zunächst scheinbar auflöst und den Leser enttäuscht - doch wer hier glaubt, Harris habe sich mit einem mittelmäßigen schriftstellerischen Einfall aus der Affäre gezogen, der irrt. Das Buch geht noch weiter, bis schließlich alle Karten auf dem Tisch liegen und der letzte Satz dem Leser ein fast böses Lächeln auf die Lippen zaubert.
"Ghost" ist ein spannender und intelligenter Polit-Thriller, der wegen seiner Parallelen zur realen Welt vielfach kontrovers diskutiert wird. Plaudert hier wirklich jemand aus dem politischen Nähkästchen, oder ist alles nur Fiktion? Jedoch sollte man bei aller Aktualität nicht übersehen, dass es sich zuallererst um ein Stück Unterhaltungsliteratur, um einen - teils recht polemischen, aber durchaus sehr interessanten und cleveren - Thriller handelt.