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Jeliza-Roses Eltern sind beide drogensüchtig. Als ihre Mutter von einer Überdosis dahingerafft wird, gerät ihr Vater Noah in Panik und flieht mit seiner Tochter in sein altes Haus, mitten im amerikanischen Hinterland. Kurz darauf setzt sich auch Noah den Goldenen Schuss und verendet in seinem Wohnzimmersessel. Jeliza ist nun völlig allein auf der Welt, ignoriert den Tod ihres Vaters jedoch einfach und träumt sich in der Einöde der weiten Grasfelder in ihre eigene Fantasiewelt hinein, in der sie mit abgetrennten Puppenköpfen spricht und schon bald auf weitere Bewohner der Einöde trifft, die genauso durchgeknallt zu sein scheinen. Gemeinsam mit ihrem neuen Freund Dickens versucht sie, in einer Welt zu bestehen, in der ihr Vater langsam vor sich hin verwest.
Wenn man die Inhaltsangabe so liest, verwundert es vielleicht wenig, warum Terry Gilliams "Tideland" so eine überaus schwere Geburt war. Der Film hatte bereits im September 2005 seine Uraufführung, hatte aber einen schweren Stand, irgendwo einen Verleih zu finden und in die Kinos zu kommen. In den USA floppte der Film erbärmlich, die Kritiker hatten nichts als Verachtung für ihn übrig und riefen lauthals Gilliams Untergang als großer Filmemacher aus. Nun erscheint "Tideland" hier erstmals auf DVD und man muss sagen, dass diese strenge Kritik dem Film nicht gerecht wird. Zugegeben, Gilliam gibt sich jede Menge Mühe, sein Publikum zu verprellen. In den ersten Szenen injiziert Jeliza ihren Eltern persönlich die Drogen, die sie später umbringen werden, später füttert sie ihren verwesenden Vater mit Erdnussbutter, während Fliegen auf seinem Gesicht landen, und beobachtet andere Menschen beim Sex. Moralapostel und Sittenhüter sollten einen weiten Bogen um "Tideland" machen, weil sich Gilliam mit diesem Film für Regeln des Anstands schlicht und einfach nicht interessiert. Wer jedoch einen Sinn für schwarzen Humor und Surreales übrig hat, der findet in "Tideland" einen faszinierenden kleinen Film am Rande des Wahnsinns, der gleichzeitig abstoßend und liebenswürdig, schockierend und warmherzig ist.
Gilliam weiß, wie er sich auf der Grenze zwischen Realität und Fantasie verhalten muss, bewegt sich stets auf beiden Ebenen und lässt die Grenzen zwischen ihnen mit grober Überzeichnung verwischen. Die Charaktere dieser Geschichte sind alles andere als normal, ob sie nun fremde Menschen einbalsamieren oder im Taucheranzug rumlaufen und den örtlichen Schnellzug für einen Monsterhai halten. Zusammen mit der surrealen Kameraarbeit und Farbgebung des Films sorgt das für ein andauerndes Gefühl der Irrealität und Abgehobenheit, als schaute man durch ein Buntglasfenster in eine verzerrte Welt, die die einzige Möglichkeit für Jeliza sein mag, mit ihrer brutal veränderten Umgebung umzugehen. Es ist offensichtlich die Extrem-Variante von Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" - keine harmlose Träumerei mehr, sondern der letzte Strohhalm eines Mädchens, das ansonsten in eine Welt voller Hoffnungslosigkeit fallen würde. In ihrer Unschuld und der Unschuld ihres Freundes Dickens tun sich jedoch ebenfalls Gefahren auf. Wo die Geschichte des Films, wenn man diesen surrealen Bilderreigen so nennen kann, bisher nur vor sich hin plätscherte, tun sich im letzten Drittel auf einmal brandgefährliche sexuelle Anspielungen zwischen Jeliza und ihrem erwachsenen, aber geistig zurückgebliebenen Freund auf. Spätestens an dieser Stelle hatten sämtliche amerikanische Sittenwächter Schaum vorm Mund. Gilliam hält tatsächlich den Zuschauer in Atem, wie weit er dieses Spiel wohl treiben wird, eine gewisse Grenze überschreitet er dabei jedoch nicht.
"Tideland" ist damit surreal, morbide, schwarzhumorig und faszinierend. Was er nicht ist: spannend, handlungsreich und tiefsinnig, auch wenn sich durchaus ein, zwei Bedeutungsebenen hinter diesem Fest für die Sinne erschließen lassen mögen. Damit ist es sicherlich nicht Terry Gilliams bester Film, aber auch weit davon entfernt, sein schlechtester zu sein.
Bild und Ton der DVD erfüllen die Standards, wobei die Farben zwischen kräftig und bleich schwanken und der Surround-Sound ein bisschen besser hätte ausgenutzt werden können.
Die Extras können leider nicht beurteilt werden, da zur Rezension nur die Verleihversion vorlag.