Ein Justizskandal sorgte Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien für Aufregung, als George Edalji trotz fehlender Beweise eines Verbrechens angeklagt und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wird. Auf Bitten Edaljis ist schließlich Arthur Conan Doyle persönlich in die Fußstapfen seiner berühmten literarischen Figur Sherlock Holmes getreten und hat sich des Falls angenommen, den der englische Autor Julian Barnes rund einhundert Jahre später aufgegriffen und zu einem Roman verarbeitet hat. Nun, im September 2007, ist "Arthur & George" auch als Hörbuch beim Audio-Verlag erschienen, in einer autorisierten Lesefassung vorgetragen von Bernt Hahn.

Sie kommen aus zwei völlig verschiedenen Welten: Auf der einen Seite Arthur, der als geistiger Vater des Meisterdetektivs Sherlock Holmes weltweiten Ruhm geerntet hat, auf der anderen Seite George, Sohn eines Pfarrers indischer Abstammung. Dessen Familie, die Edaljis, wird durch zahlreiche anonyme Briefe und schädigende Zeitungsannoncen terrorisiert, ohne dass man den Täter jemals fassen könnte. Als in der Grafschaft Staffordshire dann ein Unbekannter damit beginnt, Tiere aufzuschlitzen und zu verstümmeln, ist es schnell George Edalji, der als Außenseiter ins Visier der Polizei gerät. Obwohl man keinerlei handfeste Beweise gegen ihn in der Hand hat, wird George verurteilt und ins Gefängnis gesteckt; alles deutet auf einen rassistischen Akt der Willkür hin. Als George nach drei Jahren Haft wieder entlassen wird, bittet er den zu diesem Zeitpunkt bereits weltberühmten Schriftsteller Arthur Conan Doyle um Hilfe: Er soll den wahren Täter überführen und so den guten Ruf George Edaljis wieder herstellen. Arthur zögert nicht lange und beginnt mit einer großen öffentlichen Kampagne ...

Julian Barnes? Roman "Arthur & George" - der es nach seinem Erscheinen im Jahr 2005 im Übrigen bis auf die Auswahlliste des Booker Prize geschafft hat - ist ein Buch, das keinem bestimmten literarischen Genre zugeordnet werden kann. Stattdessen entwickelt sich die Geschichte - und mit ihr nicht nur die Handlung, sondern auch Stil und Rahmen - beständig weiter, sodass "Arthur & George" wechselnd Schwerpunkte auf die Biografien von Arthur Conan Doyle und George Edalji, die Beziehung der beiden Männer zueinander oder den Kriminalfall, den es zu lösen gilt, legt. Diese Wechsel gehen jedoch so fließend ineinander über, dass sie kaum zu merken sind und der Hörer sie vielmehr als ein geschickt zusammengefügtes Geflecht verschiedener Ebenen wahrnimmt. Während "Arthur & George" sehr ruhig - vielleicht ein wenig zu ruhig - beginnt und abwechselnd aus Kindheit und Jugend der beiden Protagonisten erzählt, wobei sich Julian Barnes besonders bei Edalji, über den wir heute nicht mehr allzu viele Zeugnisse haben, literarische Freiheiten erlaubt, nimmt die Erzählung nach einiger Zeit schließlich an Spannung und Tempo zu, bevor die kriminalistischen Elemente schließlich zur Gänze durchbrechen und den Roman zu einer interessanten und sorgfältig recherchierten Reise in das England des frühen 20. Jahrhunderts werden lassen. Dass dabei bis auf wenige Ausnahmen sämtliche Briefe, Zeitungsberichte und Annoncen wortgetreu aus historischen Dokumenten übernommen wurden, erhöht lediglich Glaubwürdigkeit und Reiz von "Arthur & George".
Bernt Hahn trägt diese intensive und ergreifende Geschichte über Arthur Conan Doyle und George Edalji mit ruhiger, angenehmer Stimme vor. Und obwohl der Sprecher dabei nur selten auf stimmliche Mittel wie Nuancierungen oder unterschiedliche Färbungen des Tonfalls zurückgreift, erlebt man "Arthur & George" - zumindest, sobald man sich ein wenig in die Lesung hineingehört hat, denn zu Beginn muss man sich an den Stil der Produktion zunächst gewöhnen - sehr plastisch und ergreifend.

Fazit:
Wenn er den noch ein wenig trockenen Anfang von "Arthur & George" erst einmal überwunden hat, eröffnet sich dem Hörer eine tiefgehende, spannende Kriminalgeschichte, die auf sorgfältig recherchierten historischen Begebenheiten beruht und gleichzeitig eine interessante Biografie über zwei Gentlemen des Englands zu Beginn des 20. Jahrhunderts darstellt.