Während der Advent für Erwachsene meist eher einen unangenehm stressigen Endspurt vor den Feiertagen darstellt, zieht er sich für Kinder oft lange hin. Sehnsuchtsvoll warten sie auf Weihnachten, das scheinbar noch in so weiter Ferne liegt. Der Nikolaustag als kleine Zäsur gibt schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf Weihnachten, und dann sind immer noch achtzehn lange Tage zu überstehen.
Wie ein Adventskalender versüßt dieses Buch die ersten vierundzwanzig Dezembertage. In Form einer Anthologie bietet es eine Geschichte für jeden Tag, die von unterschiedlichen Autoren stammen und meistens einen Bezug zum jeweiligen Adventsabschnitt haben.
Die Leser lernen in einer Geschichte das Freundespaar Susen und Toni kennen. Toni möchte unbedingt bei einer Schultheatervorführung den Nikolaus spielen, obwohl Susen sich viel besser eignet. Als Susen die Rolle erhält, ist Toni beleidigt und versucht sogar, die Proben zu stören. Wütend sagt ihm Susen die Meinung; Toni läuft verstört weg und Susen bleibt todunglücklich zurück. Doch am Tag der Aufführung erlebt sie eine Überraschung.
Eine der Nikolausgeschichten befasst sich mit einem vielen Kindern bekannten Problem: Lilos und Rias Vater hat eine neue Familie gefunden und wird für die beiden nicht mehr den Nikolaus spielen. Die kleine Ria sucht am Nikolaustag verzweifelt einen Nikolaus … und findet keinen. Zu Hause aber wartet einer auf die Mädchen, zwar mit erstaunlich hoher Stimme, doch er zeigt ihnen, dass die Welt nach wie vor ein Stück Normalität für sie bereithält.
Onkel Eduard sollte auch nicht unterschlagen werden. Er ist ein solcher Workaholic, dass er glatt den Heiligabend vergisst und gar nicht versteht, warum er als Einziger in der Firma auftaucht.
Mehrere Geschichten ranken sich um Tannenbäume. Wie in Kindergeschichten üblich, sind es besonders hässliche Exemplare, die für die größte Freude sorgen. Um das Schenken geht es natürlich auch in diesem Buch, um Wünsche und darum, dass eine Kleinigkeit manchmal ganz viel bewirken kann.

Die Mischung macht’s in jeder Anthologie, und in diesem Buch präsentiert sich ein recht vielfarbiger Reigen von Geschichten. Mit den Themen Nikolaus und Christkind gehen sie sensibel um; die Existenz dieser für Kinder im Grundschulalter oft noch sehr realen und wichtigen Figuren wird zwar bisweilen von Protagonisten in den Geschichten angezweifelt, doch es bleibt immer offen, ob es die beiden gibt.
Manche Geschichten befassen sich auch mit dem Brauchtum, so wird in einer davon die Geschichte des allseits bekannten Liedes "Stille Nacht, heilige Nacht" geschildert. Eine sympathische Darstellung der Weihnachtsgeschichte aus der Sicht eines Statisten bietet "Rafi, der Schutzengel der Esel"; dieser schärft Josefs und Marias bockigem Esel ein, sich auf der langen Reise nach Bethlehem ja gut zu benehmen.
Die Geschichten, die sich um Armut, Einsamkeit oder zerrissene Familien ranken, bringen Kindern behutsam bei, dass nicht alle Menschen frohe Weihnachten erleben, dass jeder jedoch ein wenig dazu beitragen kann, anderen die Feiertage zu verschönern. Viele Geschichten sind aber einfach nur spannend und zur Unterhaltung gedacht. Ein bis zwei liebevoll gestaltete Illustrationen pro Doppelseite lockern die Geschichten ein wenig auf.
Die Reihe "Leselöwen" wendet sich als vierte Stufe der Loewe-Leseleiter an Kinder ab acht Jahren, die bereits flüssig und relativ ausdauernd lesen. Deshalb ist das Buch bereits in einer nicht mehr übermäßig großen Schrift gesetzt, die, anders als die schulübliche Fibelschrift, Serifen enthält. Worttrennungen kommen am Zeilenende vor. Auf komplexe Begriffe wurde jedoch verzichtet und der Wortschatz entspricht dem der Zielgruppe.
Das Buch eignet sich somit gut für Grundschulkinder mit fortgeschrittener Lesefähigkeit (oder, für Jüngere, auch zum Vorlesen), die sich auf den Advent und auf Weihnachten einstimmen möchten.