Wenn man wie Maybrit Illner Woche für Woche mit Politikern in einer Diskussionsrunde sitzt, kann man die ewig gleichen Floskeln, mit der die Damen und Herren geschickt um die gestellten Fragen herummanövrieren, sicher nicht mehr hören. Und gerade diese komplizierte Art sich auszudrücken ist es, die es vielen Menschen schwer macht, Politiker zu verstehen.
Denen kann geholfen werden, dachte sich wohl Frau Illner und verfasste im Langenscheidt Verlag ein "Wörterbuch" Politiker-Deutsch, Deutsch-Politiker. Wobei man nicht wirklich von einem Wörterbuch sprechen kann, vielmehr handelt es sich um eine Glosse, die die Welt und die Sprache der Politiker dem Leser näher bringen will. Eben "Politiker verstehen - leicht gemacht".

Also führt uns Frau Illner mit zwölf Themen in die Welt der Politiker ein. Von Politikern im Wahlkampf oder im Parlament geht es über das Sommerloch und den Rücktritt bis hin zum Elder Statesman.
Die einzelnen Kapitel beginnen mit einer Karikatur, die etwas mit dem Thema des Kapitels zu tun haben soll. In längeren Kapiteln findet sich auch eine weitere Karikatur. Leider bleibt bei einigen der Zeichnungen der Witz beziehungsweise der Bezug zum Thema auf der Strecke.

Zunächst bestehen die Kapitel aus einer Art Einführungstext. Hier werden dem Leser Themen, wie Politiker im Wahlkampf oder im so genannten Sommerloch, erklärt. Wichtige Begriffe in den Texten wurden je nach Kapitel-farblich passend markiert. Aufmerksame Leser werden schnell erkennen, dass alle diese Begriffe dem Politikermund irgendwann entsprungen sind.
Bedauerlich ist deswegen an dieser Stelle, dass man kein Glossar oder eine andere Art der Erläuterung findet, um die markierten Begriffe näher zu erklären, zum Beispiel wann und von wem sie gesagt wurden. Hier soll der gebildete Bürger wohl selbst recherchieren.

Des Weiteren gibt es wichtige Passagen oder Erklärungen in farblich markierten Kästchen, zum Beispiel direkt an die Kandidaten gerichtete Tipps für Wahlkampfhymnen oder die Ausführung der Autorin zum leeren Plenarsaal, der nur deswegen so leer sein dürfte, weil alle Politiker gerade in Ausschüssen arbeiten.
Außerdem gibt es häufiger mit einem Mikrofon markierte Politikersprüche, die gerne sowohl in der Standard- als auch Premiumform vorgestellt werden, um zu verdeutlichen, dass es auch in den Aussagen von Volksvertretern Steigerungen gibt. Als Beispiel eignet sich hier wieder der Wahlkampf, in dem der Vorwurf in der Standardform lauten kann: "Er verfolgt rein machtpolitische Interessen.", während die Premium-Variante lautet: "Ihm geht es um Posten und Pfründe!".

Auch existieren in diesem Buch Top-10-Listen mit Vorschlägen zum Füllen des Sommerlochs (zum Beispiel Wehrpflicht durch Losentscheid oder weniger Kindergeld für schlechte Eltern) oder die schönsten Zwischenrufe aus dem Bundestag - hier sogar mit einem kleinen integrierten Ratespiel.
Immer wieder finden sich auch, schön in zwei Spalten aufgeteilt, die "Übersetzungen", die dieses Buch überhaupt erst zu einem Wörterbuch machen: "Politiker sagt" und "Politiker denkt".
Dieser Wörterbuchteil ist bedauerlicher Weise viel zu kurz geraten, denn er gehört mitunter zum Komischsten, was dieses Buch zu bieten hat.

Ansonsten sind die Texte humorvoll und launig geschrieben, zielen meist aber doch in die Kerbe Politikerschelte - auch wenn das Buch das ausdrücklich nicht sein möchte. Zudem kann sich das Buch nicht ganz entscheiden, was es denn will.
Eine "Gebrauchsanweisung für Politiker", also um diese besser zu verstehen, ist dieses Buch ganz gewiss nicht. Dafür hätte mehr auf das eingegangen werden müssen, was Politiker sagen. Stattdessen erklärt Frau Illner die Politik in unserem Land.
Sicher auch ein löblicher Ansatz und mit Humor verträgt man ja vieles besser - aber man hat beim Lesen unweigerlich das Gefühl, als richte sich dieses Buch wirklich nur an Leute, die eigentlich schon wissen, worum es geht.
Denn viel der Ironie oder des Sarkasmus wird man nur verstehen, wenn man weiß, worauf gerade angespielt wird - und dazu sollte man schon sehr regelmäßig die Nachrichten verfolgen und auch die eine oder andere Polit-Talkshow gesehen haben.

Ein nettes Geschenk dürfte das Buch trotzdem abgeben. Die Aufmachung ist nett und die Texte zumindest amüsant, wenn sie auch nicht immer wirklich komisch sind.
Es würde auch nicht verwundern, wenn ziemlich viele Politiker dieses Buch unter ihrem diesjährigen Gabentisch finden würden. Aber eigentlich ist es für jeden geeignet, der sich mit Politik etwas auskennt und gerne ein Büchlein zum Schmunzeln hat.