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Sony war im Jahr 2002 so freundlich, das kleine PS2-Spiel "Ico" in limitierter Auflage auch nach Deutschland zu bringen. Nach dem großen Erfolg des Nachfolgespiels "Shadow of the colossus" wurde es 2006 "neu" herausgebracht. Es ist ein ungewöhnliches Spiel mit einer vermutlich nicht allzu großen Zielgruppe, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Konsolenspielen ist es nicht laut, bunt und actionlastig, sondern ruhig und unscheinbar, ein Stern, der nicht hell, dafür umso schöner strahlt.
Es geht um den Jungen Ico mit ostasiatischen Gesichtszügen und Wikingerhörnern, die ihm allerdings nicht aus einem Helm, sondern aus dem Kopf wachsen. Da man ihn in seinem Dorf für verflucht hält, wird er abgeholt und auf eine große Festung im Meer gebracht, wo er wie viele andere Gehörnte vor ihm eingemauert werden soll. In seinem Fall läuft das nicht wie geplant, er kann sich befreien und steht nun alleine da. Nun beginnt seine lange Suche nach dem Weg in die Freiheit. Für ihn selber wäre es vermutlich auf Dauer kein Problem, diesen Weg zu finden, aber er befreit gleich zu Beginn die zierliche, lichtwesengleiche Yorda aus einem Käfig, die nicht so gut zu klettern, springen und schwingen vermag wie er. Der Junge ist gewillt, sie mitzunehmen, was ihrer Mutter, der zaubermächtigen schattenhaften Herrin der Festung, aber nicht recht ist, da Yorda ihrem Geist als neuer Körper dienen soll. Sie sendet nebulöse Schattenwesen aus, um sie wieder einzufangen. So schlagen sich die beiden Kinder durch den Festungskomplex, bis der Weg in die Freiheit geöffnet zu sein scheint, der Junge nach dem dramatischen Höhepunkt des Spiels aber wieder alleine da steht. Er zieht los, um sich der alten Dame zu stellen, und stellt auch fest, was aus ihm geworden wäre, hätte er sich nicht befreien können ...
Der Spieler steuert natürlich Ico. Dieser hat drei vorrangige Aufgaben:
a) Einen Weg für sich suchen;
Ico ist in der Lage, Ketten zu erklimmen und von einer zur anderen zu springen, sich an Rohren entlang zu hangeln, zu schwimmen, an Wänden entlang zu kraxeln, Gegenstände zu verschieben, Hebel zu betätigen und so weiter. Auf diese Weise lernt der Spieler sämtliche Ebenen des Schauplatzes vom Meeresspiegel bis in schwindelerregende Höhen kennen, darf balancieren, klettern und Bruchstellen überspringen, wobei die Abstände oft so exakt abgemessen sind, dass man die andere Seite so grade erreicht. Yorda ist dabei nicht völlig passiv: Des öfteren gibt sie Ico nach einer Weile Fingerzeige zum weiteren Vorgehen, wenn der Spieler nur ziellos umherirrt.
b) Einen Weg für Yorda suchen;
Während Ico problemlos Hindernisse überwindet, steht Yorda meistens hilflos da, denn sie kann zwar Leitern erklettern, aber keine Ketten, sie kann nicht weit springen und ist überhaupt sehr auf Hilfe angewiesen. So besteht die eigentliche Herausforderung für den Spieler darin, einen Weg für
sie zu finden. Dafür muss man sie zwangsläufig mitunter zurücklassen, bis man den Mechanismus für eine Tür oder den Hebel zum Bewegen eines Schwenkkrans gefunden hat. Ist das vollbracht, kann Ico sie rufen (geschieht durch Drücken der R1-Taste), und sie kommt angelaufen. Yorda folgt Ico, wenn er sich bewegt, muss aber öfters gerufen werden. Deshalb nimmt man sie am besten an die Hand, wieder über R1, wobei man einstellen kann, ob hier ein Druck der Taste genügt, um sie zu halten, oder ob man die Taste gedrückt halten und damit tatsächlich das Gefühl des An-der-Hand-Haltens erleben will. Ist letzteres der Fall, spürt man ihren Puls über die Vibration des Gamepads. Diese Idee macht den ganz besonderen Charme des Spiels aus und weckt überdies auch vermehrt den Beschützerinstinkt für dieses zarte Wesen beim Spieler. Die Rätsel sind zu Beginn noch recht einfach, wo es erst mal darum geht, den Spieler in Steuerung und Atmosphäre einzuführen, werden aber bald anspruchsvoller.
c) Verhindern, dass Yorda entführt wird.
Zum Thema Beschützerinstinkt: Yorda ist nicht in der Lage, sich gegen die Häscher ihrer Mutter zu wehren. Wird sie ergriffen, versuchen diese Wesen, sie zu bestimmten Punkten - schwarzen Löchern im Boden - zu bringen und sie dort hinein zu ziehen. Gelingt ihnen das, ist das Spiel beendet. Ico muss entsprechend versuchen, es zu verhindern. Gleich zu Beginn bekommt er eine Fackel in die Hand, mit der er sich dieser Wesen erwehren kann, und ihm bleibt auch immer noch ein wenig Zeit, Yorda wieder aus dem schwarzen Loch zu ziehen, wenn sie halb darin versunken ist. Im Lauf des Spiels kann Ico die Fackel gegen andere Waffen eintauschen - es gibt auch einen Morgenstern, aber den findet man nur durch Zufall, Hörensagen oder wenn man wirklich genial ist, aber man kommt auch ohne ihn zurecht -, mit denen die Gegner leichter zu bekämpfen sind. Wenn gerade keine Waffe zur Verfügung steht, können auch die Hörner als solche dienen. Ico ist kein großer Kämpfer, er vollführt immer die gleiche Angriffsbewegung, die einzige "Kombo" kommt zustande, wenn man den Steuerstick auf den Gegner zu bewegt, während man bis zu dreimal die Viereckstaste drückt (ansonsten bleibt es bei einem Schlag). Parieren ist ebenfalls nicht möglich, wenn Ico getroffen wird, schleudert ihn das zurück, er liegt benommen am Boden und der Spieler muss die Symbol- und die Richtungstasten in beliebiger Abfolge triggern, damit der Bengel schneller wieder aufsteht. Hierbei gibt es keine Schadensleiste und keine Lebensenergie. Tödlichen Schaden kann Ico nur dann nehmen, wenn ihn ein gegnerischer Schlag über einen Abgrund hinaus schleudert. Yorda hat immerhin einen gewissen Selbsterhaltungstrieb, der sich darin äußert, dass sie immer bemüht ist, zwischen sich und den Monstern den tapferen Ico zu haben. Die Wesen tauchen entweder zu gescripteten Events auf oder aber wenn Ico Yorda zu lange alleine lässt, was einen zusätzlichen Nervenkitzel bedeutet, denn man muss mitunter schnell sein. Je weiter das Spiel fortgeschritten ist, desto anstrengender werden die Kämpfe. Wie sich das gehört.
Ico und Yorda sind aufeinander angewiesen: Er schützt sie vor den Geistern, dafür öffnet sie ihm Idoltüren mit ihrer magisch angehauchten Präsenz, wofür der Junge einen besonderen Gegenstand bräuchte. Weiterhin brauchen wir Yorda, um an einem der auf dem Gelände verteilten steinernen Sofas abspeichern zu können, was erst möglich ist, wenn beide darauf sitzen. Deshalb braucht der Spieler nach dem dramatischen Höhepunkt, der das Abhandenkommen Yordas beinhaltet, einen recht langen Atem bis zum Endkampf, denn alleine herum zu laufen hat zwar den Vorteil, dass die Geister keinen Grund mehr haben, Ico anzugreifen (sie haben das Mädchen ja), aber den Nachteil, dass uns die Speicherpunkte nichts mehr nützen. Und da dieser letzte Weg nicht leicht sind, sollte man dafür mindestens zwei Stunden einplanen, besser mehr. Zum Glück geht es beim Scheitern nicht wieder ganz von vorne los, sondern vom Betreten des jeweiligen Szenarios an. Der Endkampf selber ist nicht schwer, wenn das Prinzip einmal verstanden ist.
Wenn der Spieler Erholung vom Kletterstress braucht, kann er sich an idyllischen Plätzen gerne zurücklehnen und eine Weile Yorda beobachten, der irgendwann langweilig wird. Sie beginnt dann, den Vögeln nachzustellen, die auf offenem Gelände anzutreffen sind. Überhaupt ist diese Figur sehr liebevoll gezeichnet: Wenn ihr beispielsweise ein Abgrund zu breit ist, um darüber hinweg zu springen, dann schüttelt sie wie ein trotziges Kind den Kopf und gibt "nai-nai" von sich (japanisch etwa "das mache ich nicht" oder "neinnein"). Und unweigerlich fragt man sich, wie ein so reines, unschuldiges und zartes Wesen wie Yorda eine so bösartige dunkle Mutter haben kann ...
Ico, Yorda, Muttern, Geister und Vögel. Sonst regt sich nichts dort auf der Festung. Mitunter kann man in die Ferne blicken und sieht nur Meer, soweit das Auge reicht, und in einer Richtung das Ufer. Der Weg dorthin führt durch ein Tor, das es zu öffnen gilt, und über eine Brücke. Die meiste Zeit über hört man den Wind, in der Ferne das Meeresbranden, bisweilen Vogelgeräusche und die Schritte der Kinder, auch mal die Geräusche von Maschinerie. Musik kommt nur in gescripteten Events und düster-treibend im Kampf gegen die unangenehmen Bewohner der Festung zum Einsatz, ansonsten ist die Soundwelt in "Ico" darauf ausgelegt, dem Spieler die Abgeschiedenheit und Trostlosigkeit des Ortes zu vermitteln. Die Settings sind meist überdimensional gestaltet, zwielichtig ausgeleuchtet, oft brüchig-verfallen und lassen die Kinder noch kleiner wirken. Die meist aus der Vogelperspektive beobachtende und intelligent mitfahrende Kamera, die immer auf Ico zentriert ist und mittels R2 näher an ihn herangezoomt oder mit R3 in begrenztem Winkel bewegt werden kann, verstärkt diesen Effekt noch. Leergeräumte Tempelräume mit eingestürztem Dach und zerstörtem Altar und nicht zuletzt der Friedhof tragen zu dieser tristen Atmosphäre bei.
Die Grafik bietet ein hohes Maß an Detailverliebtheit und Spiel mit Licht und Schatten, und der Eindruck, dass die Kulisse bisweilen verschwommen oder diesig-blass wirkt, verstärkt das Gefühl des Heruntergekommenen. Oft kann man mit dem Hintergrund arbeiten, etwa Vorsprünge und Rohre entlang klettern, Türen aufsprengen et cetera.
Wunderbar! Kein HUD stört den Blick aufs Geschehen, es gibt kein Ausrüstungsmenü, keine Heiltränke, keine Erfahrungspunkte, mit denen man Fertigkeiten steigern könnte, kein Geld, um Waffen zu kaufen, keine Frag-dich-durch-Sequenzen, keine Kreissägen in den Wänden oder Stampfdinger und dergleichen, keine großartigen Schock- oder Lichteffekte, einfach nur die oben beschriebene Atmosphäre, die zum Teil schweißtreibenden Wegfindungsrätsel und die dramatischen Videosequenzen in Spielgrafik. Und ja, das Spiel ist trotzdem sehr spannend!
Wenn man sich beim ersten Durchspielen mit der Erforschung des Geländes und der Möglichkeiten Icos gebührend Zeit lässt, kann man das Spiel in zwölf oder dreizehn Stunden durchspielen, die bedauerlich schnell vorüber gehen. Die Steuerung ist dabei schnell erlernt, zumal neben den Sticks nur die Symboltasten und R1 wirklich wichtig sind; die linken Schultertasten sind dagegen nach der Standardeinstellung gar nicht belegt (Das Booklet informiert hier widersprüchlich: Das Heranzoomen läuft
nicht über L2). An besonders waghalsigen Stellen kann man die Kreistaste beim Fortbewegen gedrückt halten, um nicht zu schnell zu laufen, wenn man der "druckempfindlichen Analogtasten-Funktion" von L3 nicht traut. Ico kann Gegenstände mit der Kreistaste aufheben und sie eben damit auch in die Richtung werfen, in die er sich gerade bewegt. Zielen ist dabei gar nicht so einfach.
Was bleibt? Das Booklet. Übersichtlich gestaltet, klärt es uns über Icos Vorgeschichte, Tastenfunktionen, Aktionsmöglichkeiten und Gegner auf, wie es sich gehört, und teilt am Ende das Spiel in sechs Etappen ein, für die jeweils eine knappe Beschreibung des Schauplatzes und einige Vorausdeutungen zum Verlauf gegeben werden. Beides ist beinahe prophetisch vage gehalten und den angekündigten "weiteren Käfig" sowie den "verborgenen Gegner" gibt es schlichtweg nicht, zumindest in der deutschen Fassung, die sich von der japanischen an manchen Stellen unterscheidet.
Manchmal ärgert man sich, dass man in Europa meist länger auf ein neues Spiel warten muss als in den USA. Und dann gibt es Spiele wie "Ico", bei denen man sich darüber freut, dass scheinbar die Entwickler auch nach dem US-Release noch weiter daran feilen. Zum einen gibt es in der europäischen PAL-Fassung Rätsel, die den Amis verwehrt bleiben, zum anderen sind die KI von Yorda (die Ico in den USA nicht hilft) und den Schattenwesen deutlich besser. Was aber das Interessanteste ist: Hat man das Spiel einmal durchgespielt und am Ende abgespeichert, erhält man beim zweiten Durchlauf die Möglichkeit, im Optionsmenü auf zwei Spieler umzustellen. Ja, richtig, mit dem zweiten Controller darf man dann Yorda steuern! Zwar bleibt die Kamera weiterhin auf Ico zentriert und das Mädchen rückt bisweilen aus dem Bildschirmrahmen, dafür darf man nun das Spiel zu zweit erleben. Allerdings erschöpft sich der Reiz des Zweispielermodus schon genau in diesem kommunikativen Spielerlebnis, denn Yorda kann auch spielergesteuert nicht viel anderes machen als hinter Ico her zu laufen und gelegentlich Bomben zu tragen. Fackeln oder gar Schwerter aufzunehmen kommt ihr nicht in den Sinn und Kämpfe werden keineswegs leichter, wenn man Yorda spielt. Allzu oft muss man sie ohnehin zurücklassen, um einen Weg für sie zu finden, so dass der zweite Spieler nur zuschauen kann. Die Kinder werden nun mit Gegnern konfrontiert, die schwerer zu besiegen sind und in größerer Zahl auftreten, zudem scheinbar noch gewitzter sind. Und noch etwas ist sehr reizvoll beim zweiten Durchlauf: Waren Yordas Sätze und die der Mutter, wenn sie mit ihrer Tochter spricht, beim ersten Mal mit unverständlichen ägyptisch anmutenden Hieroglyphen untertitelt, kann man nun endlich anhand der deutschen Übersetzung verstehen, was die beiden sagen. Ein weiteres Novum beim zweiten Mal ist die Option, die Bildqualität in fünf Stufen zu verändern. Stufe null entspricht der normalen Grafik, Stufe vier präsentiert uns die Kulissen in der grobpixeligen, farblich übersteuerten Grafik der Videosequenzen, wie sie im Abspann zu sehen sind (was dann ein wenig an "Forbidden Siren" erinnert). Insgesamt hat nochmaliges Durchspielen durchaus seinen Reiz - schon wegen des Lichtschwertes ...
"Ico? ist ein Wegfindungsspiel für besondere Geschmäcker, die es ruhig und weitgehend effektfrei, aber dennoch spannend mögen und sich gut in die Spielatmosphäre hineinfühlen können und wollen - was die Zielgruppe für dieses Spiel stark eingrenzt. Fernab aller "Devil may cry"-Hektik, allen "Dynasty-Warriors"-Geprügels und jeglicher "Final-Fantasy"-Fähigkeitenverbesserungsorgien bietet es schlichte gefühlvolle Unterhaltung vor überzeugender Grafik und überwältigender Kulisse. Selten habe ich mich einer computergesteuerten Figur so nahe gefühlt wie Yorda - alleine dadurch, dass man sie an der Hand mit sich herum führt und beschützen muss. Und es ist ein Spiel, das man gerne nach einer gewissen Zeit wieder in die Hand nimmt und durchzockt.