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Charlotte Salomons Lebensgeschichte in Bildern mit dem Titel "Leben? Oder Theater?" wird vom Prestel Verlag nicht nur als "einzigartige Erzählung in Bildern, Texten und Musik" gelobt, sondern auch als eines der "wichtigsten künstlerischen Zeugnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocaust" beschrieben. Das ist viel Lob, aber auch viel Verantwortung, die den Werken der jungen Frau zugeschrieben werden. Aber wer war Charlotte Salomon und was macht ihr Werk so besonders oder gar außergewöhnlich?
In der Zeit zwischen 1940 und 1942 entstand das von Charlotto Salomon im Untertitel als "Singspiel" bezeichnete Werk. Es war ihre Entscheidung gegen Wahnsinn und Selbstmord und für das Leben und die Kunst. In einem kleinen Hotelzimmer in Frankreich zeichnete sie die Geschichte ihrer Familie auf, die immer wieder vom Tod geprägt wurde. Wie sehr, das erfuhr Charlotte erst später - und es sollte sie in die Krise stürzen, die sie mit ihrem Werk aufarbeiten suchte. Das vorliegende Buch ist der Katalog zu Ausstellungen, die das Werk Charlotte Salomon in Deutschland vorstellten. Diese Neuausgabe bediente sich eines abwechslungsreichen Layouts und führte Kommentierungen mit Hilfe von Kapitel- und Szeneneinführungen ein, um dem Leser das Verständnis der Geschichte erleichtern zu können.
Charlottes Singsspiel besteht ganz klassisch aus einem Vorspiel, einem Hauptteil und einem Nachwort. Zunächst stellt sie die Personen ihre Stückes vor, denen sie alle fantasievolle Namen gegeben hat - sie selbst bezeichnete sich als Charlotte Kann.
Die Geschichte zeichnet den Selbstmord von Charlottes Tante, den Tod ihrer Mutter (Charlotte wurde der Selbstmord lange Zeit als Grippetod verschleiert), die zweite Ehe ihres Vaters mit einer berühmten Sängerin und Charlottes große Liebe zu dem Gesangspädagogen Amadeus Daberlohn nach, der selbst von ihrer Stiefmutter tief beeindruckt ist. Nach der Progromnacht 1938 beschließen Charlottes Eltern, die junge Frau zu den nach Frankreich emigrierten Großeltern zu schicken.
Das Nachwort schildert die Zeit in Südfrankreich. Charlottes Großmuter begeht Selbstmord aus Angst vor den Nazis und Charlottes Großvater erzählt ihr nun die Wahrheit hinter den Todesfällen in ihrer Familie. Charlotte fürchtet, wahnsinnig zu werden - gleichzeitig rückt der Tod in Form von - zunächst kurzzeitiger - Internierung immer näher.
"Leben? Oder Theater?" besticht durch die expressionistische Kraft seiner Bilder, die in kräftigen Farben gehalten sind und einen ganz eigenen Stil innehaben. Zudem schafft es Charlotte Salomon immer wieder auf originelle Weise, Texte in ihre Kompositionen einzubinden. Teilweise erinnern die Seiten so an Comics, oft wirken sie aber auch wie die Illustrationen zu einem Buch. Zudem gibt es viele Bilder, die auch alleine, ohne den Kontext der anderen Bilder, bestehen könnten und trotzdem noch faszinieren würden. Die Geschichte wurde in Kapitel unterteilt, die alle mit einer einführenden Seite beginnen, die uns in die Szene einführt.
"Leben? Oder Theater?" wurde den Eltern von Charlotte Salomon nach dem Zweiten Weltkrieg übergeben und gelangte im Jahr 1971 in den Besitz des Joods Historisch Museum Amsterdam.
Neben dem eigentlichen Werk von Charlotte Salomon steuerten angesehene Autoren Essays zur Struktur, künstlerischen Bedeutung und Rezeption des Werkes von Charlotte Salomon bei. Begonnen wird das Buch mit einer Einführung in das Werk "Leben? Oder Theater?" und einer Biographie, die die Daten der Geschichte denen von Charlottes Leben gegenüberstellt und mit privaten Fotos der Familie ergänzt.
Zu bemängeln ist, dass die ersten Texte - Vorwort und Einführung - schwer zu lesen sind, da sich der Text bis zum Seitenrand ausdehnt. Wenn man wirklich jedes Wort erkennen will, muss man hier die Seiten arg auseinander ziehen. Bei den Texten im hinteren Teil des Buch hat man zum Glück auf einen Rand geachtet.
Dafür sind die Bilder in einer hervorragenden Qualität abgebildet. Die Größen variieren dabei. Mal ist ein einziges Bild auf einer Seite, mal eine ganze Szene aus vier Bildern dargestellt. Die Bilder haben alle handschriftliche Untertitel, die in den Texten noch mal wiederholt werden - hilfreich, denn nicht immer ist Charlottes Schrift gut zu lesen.
Alles in allem ist "Leben? Oder Theater?" eine ergreifende Geschichte einer jungen Frau in einer sehr belasteten Familie vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus. Begleitet von starken Bildern, die zeigen, was für ein Verlust der Tod von Charlotte Salomon war.