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Timo hat ein paar private Probleme: Seit sein Vater die Familie verlassen und mit einer anderen Frau ein Baby hat, ist Timo abgeschrieben. Seine Mutter sucht ziemlich verzweifelt einen neuen Mann und hört Timo oft nicht zu. Insgesamt aber fühlt sich Timo wohl. Er geht gern in die Schule und ist in seiner Klasse beliebt, weil er Ungerechtigkeit nicht erträgt und sich für Schwächere einsetzt.
Dass ausgerechnet Timo zur Zielscheibe für Arthur, den Neuen, wird, hat damit zu tun, dass Timo die Ausfälle des älteren und stärkeren Jungen nicht hinnehmen möchte. Arthur äußert seine Verachtung gegenüber Mädchen, Ausländern, Lehrern und eigentlich jedem anderen auf unerträglich beleidigende und aggressive Weise, aber alle fürchten sich vor ihm. Als Timo ihn in seine Schranken zu verweisen versucht, wird er zum Mobbing-Opfer für Arthur und dessen neue Clique aus der Parallelklasse. Timos Freunde trauen sich nicht recht zu helfen, weil Arthur auch sie terrorisiert.
In dieser unerträglichen Lage wendet sich Timo an die Klassenlehrerin, die ihm jedoch mangelndes Verständnis für Arthurs schwierige Lage vorwirft. Timo begreift die Welt nicht mehr: Warum wird er jetzt ins Unrecht gesetzt? Auf seine Mutter kann er auch nicht zählen, die leidet gerade unter akutem Liebeskummer.
Die Erlösung kommt in Gestalt eines neuen Sportlehrers, dem es mit einfachen Mitteln gelingt, Arthur Grenzen zu setzen. Darauf baut Timo auf, der erkennt, dass er allein gegen Arthur angehen muss. Und schließlich begreift auch die Klassenlehrerin, dass Verständnis allein nicht weiterhilft - weder der gedemütigten Klasse noch Arthur selbst.
Diese in Frankfurt am Main angesiedelte Geschichte für Kinder ab neun Jahren befasst sich mit einem für viele Schüler akuten Thema: Mobbing. Die Autorin beschreibt, wie Timo aufgrund einer Nichtigkeit von Arthur als Opfer ausgeguckt wird und trotz seiner Anstrengungen und der freilich von Angst geminderten Solidarität seiner Freunde immer tiefer in diese Rolle gerät. Die entsetzliche Furcht vor dem nächsten Schultag, die Demütigungen, die körperlichen Misshandlungen: alles wirkt sehr realistisch, ebenso der Schmusekurs der Lehrerin gegenüber dem Täter, der sich dadurch nur bestätigt fühlt.
Allerdings erscheint der Mobber hier keineswegs nur als Verkörperung eines abstrakten Bösen, sondern die Autorin weiß aufzuzeigen, dass Mobber "gemacht" werden. Arthurs Vater tritt dem Sohn gegenüber streng und gewalttätig auf, und Arthur musste aufgrund der Tätigkeit des Vaters in etlichen verschiedenen Ländern oft umziehen und hat daher Schwierigkeiten, sich in neue Klassen einzufinden. Eigentlich, das verstehen die Leser, ist Arthur bemitleidenswert. Aber das macht sein Verhalten nicht weniger inakzeptabel.
Die Autorin stellt gut dar, wie man Mobbing abwehren kann, auch wenn es in der Wirklichkeit so vermutlich nicht immer funktioniert. Zumindest begreifen die Kinder, dass Resignation und angstvolles Schweigen nicht der richtige Weg sind.
Es werden jedoch auch andere für Kinder der Zielgruppe wichtige Themen eingebracht, zum Beispiel das häufige Problem der Scheidungswaisen mit dem plötzlich an ihnen uninteressierten Vater oder, sehr typisch für Frankfurt, Asyl suchende Kinder beziehungsweise der "Multikulti"-Aspekt allgemein. Gerade dieser wird hier sehr differenziert dargestellt mit seinen Chancen und Schwierigkeiten. Die aus Kindern etlicher Nationen zusammengewürfelte Klasse wirkt bis auf Arthur sehr homogen, denn üblicherweise setzen sich Kinder problemlos über kulturelle Grenzen hinweg. Innerhalb der Klasse weiß man die nationalen Eigenheiten durchaus zu schätzen. Der Lehrer, der Arthur noch Öl in die Flammen gießt, indem er ausländische Kinder mit Schimpfnamen wie "Makkaroni" belegt, sollte die Ausnahme sein, ist es aber nicht zwingend. Dass es jedoch auch, was freilich ebenfalls nicht die Regel ist, zum Beispiel kulturell bedingtes frauen- beziehungsweise mädchenfeindliches und -verachtendes Machogehabe auf dem Schulhof gibt, unter dem Mädchen wirklich zu leiden haben, kehrt die Autorin nicht unter den Tisch.
Ein spannendes, einfühlsames Buch, das trotz seiner thematischen Vielseitigkeit keine ausufernde Handlung aufweist und Lösungsansätze zeigt, ohne wie ein Ratgeber zu wirken. "Nicht mit Timo" eignet sich auch vorzüglich als Klassenlektüre ab etwa der vierten Klasse.