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Die lebende Legende im Poker heutzutage ist Doyle Brunson, Texas Dolly, einer der erfolgreichsten Pokerspieler aller Zeiten und immer noch einer der besten der Welt, auch wenn er mit dem Geburtsjahr 1933 heute vermutlich meistens der älteste Spieler am Tisch ist. Ende der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts machte Doyle Brunson mit seinem "Super System" Furore, denn dieses Buch revolutionierte das Poker. Inzwischen gibt es eine zum größten Teil neu geschriebene Version, das "Super System Deluxe", das nun auch auf Deutsch erhältlich ist.
Das vorliegende Buch ist nicht von einem Autoren geschrieben, Doyle Brunson ist der Hauptautor und hat sich eine ganze Reihe namhafter Spieler mit ins Boot geholt, die besondere Experten in ihrem Spiel sind. Nach einer Einleitung und einer kleinen Autobiographie von Brunson geht es denn auch gleich mit der Geschichte der heute beliebtesten Pokervariante No Limit Texas Holdem los, die von Crandell Addington beigesteuert wird - natürlich nicht ohne die Verdienste von Brunson ins rechte Licht zu rücken. Danach äußert sich Brunson zum Onlinespielen, was er auch durchaus selbst oft und um viel Geld betreibt - dass er dabei eine Internetseite erwähnt, die zufällig seinen Namen trägt, nun gut.
Dann geht es um Poker allgemein, und zu diesem Thema, den Fragen, welche Geisteseinstellung insgesamt für einen Pokerspieler sinnvoll ist, wie man mit Bankroll, mit Gewinn und Verlust, mit Mitspielern und den Tells - den unbewussten oder bewussten Äußerungen, die man so abgibt und die man auch bei den Mitspielern bemerken sollte - umgeht, weiß Mike Caro eine Menge zu erzählen. Da er auch das Standardwerk zum Thema Tells geschrieben hat, ist er natürlich in diesem Gebiet der definitive Experte.
Der eigentliche Hauptteil, die einzelnen Varianten des Poker, beginnt erst jetzt:
Jennifer Harman spricht über Limit Texas Holdem, das beträchtliche taktische Unterschiede zur No Limit-Variante hat. Sie erklärt die Grundkonzepte und das Spiel vor und nach dem Flop, ergänzt mit Tipps zum Heads-up und zu kleinen Runden. Harman ist momentan wahrscheinlich die bekannteste und beste unter den weiblichen Pokerspielern - Poker ist eine Männerdomäne, aber Jennifer Harman kann jederzeit in den Reihen der ganz Großen mitspielen, ist vielleicht die beste Limit Texas Holdem-Spielerin zur Zeit. Ihr Beitrag ist einfach und klar, gut zu verstehen und wirklich strukturiert. Dabei räumt sie mit dem "Fancy Play" ziemlich auf, mit den trickreichen Spielzügen, die doch zumeist nur Verlust bedeuten.
Bobby Baldwin erklärt dann die Welt des Omaha Eight-or-better, vielen Onlinespielern besser als Omaha HiLo bekannt. Hier spielt man mit vier Karten auf der Hand und kann nicht nur nach klassischem Pokermuster mit guten Händen gewinnen, sondern auch mit besonders schlechten Händen. Die niedrigen Zahlkarten sind hier also viel interessanter, als bei den meisten anderen Varianten. Baldwins Beitrag gibt klare Grundsätze fürs Spiel, eine gute Einführung in dieses spezielle Omaha, das mit viel Action auch viele Fans gewinnt.
Doyle Brunsons Sohn Todd gehört zu den besten Cashgamespielern der Welt und hat auch Seven-Card Stud HiLo zur Meisterschaft gebracht, und sein Beitrag zu dieser Variante ist sehr durchdacht und absolut systematisch, wirklich außergewöhnlich gut geschrieben und ragt aus diesen sehr guten Aufsätzen noch heraus.
Die etwas altmodischere Omaha-Variante, das klassische Pot-Limit Omaha, das besonders in Europa viele Fans hat, erklärt Lyle Berman. Der Geschäftsmann ist einer der wenigen Nicht-Profis im Band, hat aber immer mit Poker zu tun, gehört zum Management der World Poker Tour. Pot-Limit Omaha ist ein heikles aggressives Spiel, dessen System man verstehen muss. Lyle Bermans Aufsatz passt gut ins "Super System", wiederum eine gute Qualität.
Daniel Negreanu, "Kid Poker", einer der medientauglichsten Pokerprofis zur Zeit, ist dann der Auserwählte, der über die einzige Draw-Variante im Buch berichten kann. Triple-Draw ist auch eine Variante, die an Popularität gewinnt. Allerdings so eloquent wie Negreanu im TV wirkt, so dröge ist dieser Artikel. Der einzige Negativpunkt im Buch.
Nach einem kleinen Überblick über die Turnierstrukturen, den Brunson wieder selbst gibt, schreibt er dann den Höhepunkt des Buches über den "Cadillac des Pokers", eben über No Limit Texas Holdem. Diese Variante ist vielleicht immer noch die komplexeste, und was Brunson darüber schreibt, ähnelt auf der einen Seite den hervorragenden theoretischen Ausführungen von Dan Harrington oder David Sklansky so gar nicht, auf der anderen Seite weiß Brunson aber eben in der Praxis so unglaublich viel über Poker, dass er den Theoretikern eine ganz andere Note hinzufügen kann. Brunson erklärt mehr, wie man eher seine Gegner spielt als seine Karten, und das macht keiner so gut wie er. Wer etwas übers Bluffen, übers aggressive Spiel lernen will, der sollte Texas Dolly lesen, und dann nichts mehr.
Mit "Doyle Brunsons Super System Deluxe", dem selbsternannten "Handbuch Power Poker", hat man nicht nur einen dicken Schinken von knapp 750 Seiten, sondern wahrlich die "Bibel des Pokerspiels". Auch wenn hier ein paar Varianten, zum Beispiel klassisches Stud- oder Draw-Poker, außen vor bleiben, die momentan auch nicht die Wichtigkeit haben, so ist Super System doch sehr vollständig und umfassend. Und zu jeder Pokervariante gibt es mehr oder weniger das Beste, was es zu lesen gibt, eben in diesem Buch.
Natürlich sollte man auch Sklansky und Harrington lesen, auch Phil Gordon kann man ja inzwischen auf Deutsch lesen, und das ist keine schlechte Sache, aber an diesem Super System kommt niemand vorbei, auch wenn es ein paar seltsame Übersetzungen gibt, Phrasen, die man nur wirklich versteht, wenn man sich das Geschriebene ins Englische zurückübersetzt - die sehr bildreiche Pokersprache überfordert da offensichtlich des Öfteren. Vielleicht kein Wunder, dass sich da nur ein Übersetzungsbüro und kein einzelner Übersetzer schuldig bekennt. Ein weiteres Ärgernis ist die lieblose Aufmachung, und viel schlimmer, der schwache Druck, der beim Lesen abfärbt.
Trotzdem ist dieses Buch einfach ein Gewinn. Ein sehr großer Pot, den man nicht verpassen sollte. Allerdings - der Preis ist für die Übersetzung und die billige Aufmachung, den eher schwachen Druck, unangemessen hoch.