Spielleiterschirme gehören mittlerweile zum Standardproduktplan eines Rollenspielsystem - ob ihrer eingeschränkten Nutzbarkeit allerdings wohl auch zu den am kritischsten beäugten. Realistisch gesehen ist der zum Rollenspielsystem passende Spielleiterschirm diejenige Veröffentlichung, die vom Käufer am ehesten ignoriert werden kann. Dies motiviert dagegen die Macher eines Rollenspiels, das geplante Produkt so attraktiv wie möglich zu machen. Ein schönes Beispiel hierfür ist der zur zweiten Auflage des Grundregelwerkes überarbeitete Cthulhu-Spielleiterschirm.

Bereits beim Ansehen des Spielleiterschirm selbst erlebt man eine Überraschung, denn Pegasus hat sich von dem Hochkant-Standard entfernt und verwendet stattdessen ein DIN A4-Querformat. Die ausklappbaren Seitenteile weisen ebenfalls jeweils zwei Drittel der DIN A4-Seitenlänge auf. Die Vorderseite ist eine Collage typischer cthuloider Covermotive, die den Schirm vom Optischen her wie einen wertvollen Folianten im Querformat wirken lassen. Die dem Spielleiter zugewandte Rückseite ist größtenteils dem Thema Kampf gewidmet. Dies wirkt auf den ersten Blick verwunderlich, zählt doch der Kampf zu den Aktionen, die man im Cthulhu-Rollenspieler am ehesten zu vermeiden sucht. Bei einem zweiten Gedanken erscheint diese Vorgehensweise allerdings logisch, dürften doch gerade die Kampfregeln dem Spielleiter am wenigsten geläufig sein. Mithilfe des Spielleiterschirmes erübrigt sich in Zukunft bei handfesten Auseinandersetzungen jedenfalls mühevolles Nachschlagen im Regelwerk. Das linke Seitenteil enthält zudem mehrere Tabellen zum Thema Wahnsinn sowie eine umfangreiche Aufzählung verschiedener Phobien.

Zu jedem Spielleiterschirm gehört ein Regelheft, da bildet auch Cthulhu keine Ausnahme. Das 42-seitige Accessoire enthält weitere 17 Seiten an Tabellen sowie das 24-seitige Abenteuer "Feuer & Asche" aus der Feder von Stefan Moriße und Frank Heller. Das interessante an dem Abenteuer ist, dass es sich problemlos für alle Epochen verwenden lässt. Der Plot selbst gewährt einen relativ unproblematischen Einstieg, der auch für eine neue Gruppe gut geeignet ist, bei der sich die Charaktere untereinander noch nicht kennen. Der Abenteuerverlauf erfordert allerdings einen etwas erfahreneren Spielleiter, da einige Plotdetails potentiell stimmungsgefährdend sind, wenn sie nicht mit der nötigen Sorgfalt vermittelt werden. Zwar wird diese Problematik dankenswerterweise bei den Spielleiterhinweisen aufgegriffen, die Bedenken werden aber nicht in ihrer Gänze zerstreut. Vom Umfang her ist das Abenteuer so konzipiert, dass es in ein bis zwei Spielsitzungen beendet werden kann.

Die im Anschluss an das Abenteuer im Heft abgedruckten Tabellen scheinen sorgfältig ausgewählt und bieten dem Spielleiter eine gute Grundlage für schnelles Nachschlagen wichtiger Informationen. Preistabellen für alle drei wichtigen Cthulhu-Epochen sind ebenfalls enthalten.

Eine besondere Überraschung sind die neu gestalteten Charakterbögen, die im Stil eines Portfolio daherkommen und für jede Epoche entsprechend designed sind. Leider sind für die 1890er und Gegenwart nur je zwei Bögen enthalten, für die 1920 dagegen vier. So wird einem stilbewussten Spielleiter nicht viel mehr übrig bleiben, als den Weg in einen Copyshop anzutreten und sich ein paar Farbkopien anfertigen zu lassen - die sich jedoch mit Sicherheit lohnen werden.

Der neue Cthulhu-Spielleiterschirm ist ein weiteres positiv überraschendes Produkt aus dem Hause Pegasus. Spätestens bei den wunderbaren Charakterbögen stellt sich heraus, dass es die Cthulhu-Redaktion auch bei einem relativ unspektakulären Produkt versteht, sich etwas Besonderes einfallen zu lassen. Seinen Preis ist das Produkt jedenfalls im Vergleich dazu, wie andere Rollenspielsysteme ihre Spielleiterschirm-Packs gestalten, um jeden Cent wert. Ob man als Spielleiter allerdings unbedingt einen Spielleiterschirm mit dazugehörigem Tabellenheft und solidem, aber nicht überragenden Abenteuer benötigt, muss jeder selbst wissen.