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Wer hätte das gedacht? Eine Hausfrau, die noch dazu als Kind eine Schreibschwäche hatte, hievte sich mit dem Debütroman "Tannöd" auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste. Mit "Kalteis" will sie nun an den Erfolg ihres Erstlingswerkes anknüpfen. Auch diese Idee liegt einer wahren Begebenheit zugrunde: dem Fall Johann Eichhorn, der 1939 wegen vierfacher Vergewaltigung und Mordes in München enthauptet wurde.
Der Roman beginnt gleich mit einer Aktennotiz zum Abschluss des Verfahrens, in dem eine Begnadigung abgelehnt und schließlich Josef Kalteis enthauptet wird.
Nach dieser vorangestellten eigentlichen Schlussszene schildert Schenkel die Ereignisse dieses Falls in ihrem gewohnten Stil, indem sie verschiedene Personen zu Wort kommen lässt. Trotzdem lässt sich das Buch nicht so ohne weiteres mit "Tannöd" vergleichen, wenn auch bestimmte Parallelen zu finden sind. In "Tannöd" erinnert der Aufbau stark an eine Detektivgeschichte: Ein Ermittler befragt Zeugen, die dann ihre Wahrnehmungen wiedergeben, die schließlich die Identität des Täters preisgeben. In ihrem neuen Roman "Kalteis" beginnt die eigentliche Handlung mit Kathie, einer jungen Frau, die ihr Glück in München sucht. Nicht alle Szenen gehören zu den eigentlichen Verbrechen des Josef Kalteis. Und genau das macht die Geschichte verworren und lässt sie unstrukturiert erscheinen.
Auf der einen Seite begleitet der Leser Kathie auf der Suche nach einem besseren Leben. Hier gewinnt man viel Einblick in das Leben von damals, denn Schenkel hat es geschafft, die damalige Zeit, die Träume und Wünsche der Menschen sehr realistisch darzustellen. Dann tauchen immer wieder andere Figuren als Erzähler auf, die aber nur sehr dürftig charakterisiert werden. So erzählen uns die verschiedenen Opfer von Kalteis ihre Ereignisse, wie zum Beispiel Kuni, Gerda oder Erna. Dazwischen tauchen immer wieder Vernehmungsprotokolle auf, in denen Kalteis auf seine Befragungen antwortet.
Schlussendlich fragt man sich, welche Haupthandlung Schenkel eigentlich beabsichtigt hatte - Kalteis? Kathie? Beide? Keine davon?
Schenkel ist nicht zuletzt durch ihren eigentümlichen Sprachstil berühmt geworden. Sie verwendet verdrehte Satzstellungen, lässt ganze Satzteile weg oder wechselt plötzlich die Erzählzeit. Dies kann man zwiespältig sehen: Zum einen ist es eben ihr ganz persönlicher Erzählstil, ihre Schreibweise; zum anderen wirkt dies für Leser ermüdend, weil er sich auf eine "schlampig" geschriebene Sprache einlassen und somit seine Konzentration auf den Text und nicht auf den Inhalt richten muss. Der Leser muss sich zusätzlich auf Dialekteigenheiten einlassen, obwohl man zum Erfassen des Textes noch keine bayrisch-deutsche Übersetzung benötigt. Noch nicht.
Ehrlich gesagt hat man sich mehr von der Autorin erwartet, die mit rasender Geschwindigkeit ihren Erfolg mit ihrem Debütroman "Tannöd" feiern konnte. "Kalteis" ist ein verworrener Text, dessen Charaktere im nebelhaft erscheinenden Sprachstil nur verschwommen an die Oberfläche treten können.
Wer ein Buch sucht, dessen Schreibstil sich wohl mit niemand anderem vergleichen lässt, der kann sich auf "Kalteis" einlassen. Wer es sich mit einem guten und unterhaltsamen Krimi gemütlich machen will, der wird wohl mit "Kalteis" nicht viel Freude haben und schnell das Glück woanders suchen.