Der vierte Teil der englischen Krimiserie "Heißer Verdacht" (Prime Suspect) besteht aus drei einzelnen Fällen. Die mittlerweile zum Super Intendent aufgestiegene Jane Tennison (wie immer brillant: Helen Mirren) ermittelt in gleich drei komplizierten, aber sehr unterschiedlichen Mordfällen.

Den Auftakt macht das Psychodrama "Kind vermisst" (The Lost Child, Regie: John Madden). Ein Baby wird entführt und bald darauf tot in einem Kanal aufgefunden. Nachdem kurzzeitig der leibliche Vater in Verdacht geriet, seine Tochter entführt zu haben, fällt das Licht bald auf einen vorbestraften Pädophilen, der in der Nachbarschaft lebt. Er verstrickt sich zunehmend in Widersprüche, und als sein Alibi zusammenbricht, nimmt er seine derzeitige Lebensgefährtin sowie ihre zwei minderjährigen Töchter als Geiseln ...
Droht "Kind vermisst" anfangs in eine sehr vereinfachende, schon vielfach gesehene Einbahnstraße einzuschwenken, in der die Signalthemen Kindsmord und Pädophilie als Richtungsmarken aufgestellt wurden, schafft der Film gegen Ende die Kurve. Eine durchaus interessante Behandlung der Thematik, wenn auch manche Dialoge sehr hölzern herüberkommen.
Eine interessante Parallele zum Kindsmord bildet übrigens eine Abtreibung, die am Anfang des Films vorgenommen wird und die ein wiederkehrendes Motiv in der Folge darstellt.

"Seilschaften" (Inner Circles, Regie: Sarah Pia Anderson) vermag hingegen kaum zu überzeugen. Der Buchhalter eines Londoner Nobelclubs, in dem die Reichen ein- und ausgehen, wird tot aufgefunden. Wurde er Opfer eines Sexspiels? Oder wollte ihn jemand loswerden? Die zwei zufällig am Tatort aufgegriffenen Jugendlichen scheinen auf jeden Fall nicht die Täter gewesen zu sein. Stattdessen scheinen die Machenschaften um einen getürkten Immobilienverkauf die Ursache für den Tod des braven Buchhalters gewesen zu sein, weshalb seine zwielichtige Anwältin Maria Henry in Verdacht gerät.
"Seilschaften" stellt leider den bisherigen Tiefpunkt der vielgelobten Serie dar. Eine unglaubwürdige Geschichte, uninspirierte Nebenfiguren und die sehr unspektaluär verlaufende Ermittlung nehmen der kommunalpolitischen Brisanz des Mordfalls jegliche Schärfe. Selbst Helen Mirren agiert in einigen Passagen gelangweilt.
Spaßig ist übrigens der Klappentext für diese Folge. Der zuständige Redakteur von Koch Media hat offenbar versäumt, sich "Seilschaften" nochmals anzusehen, siedelt er den Fall doch in einem "angesagten Club" an und macht aus der Anwältin Henry eine "Szene-Gängerin". Ein klassischer Übersetzungsfehler; gemeint ist natürlich ein englischer High-Society-Club à la Lions Club oder Rotary Club.

Den besten Eindruck hinterlässt die längere Folge "Der Duft des Todes" (Scent of Darkness, Regie: Paul Marcus), in dem eine Mordserie an Frauen auf ominöse Weise fortgesetzt wird - obwohl der mutmaßliche und verurteilte Täter schon seit langem hinter Gittern sitzt. Ahmt jemand ihn und seine grausigen Taten nach? Oder sitzt ein Unschuldiger im Gefängnis, während der wahre Täter noch immer frei herumläuft?
Hier läuft das Team um Jane Tennison endlich wieder zu ganzer Stärke auf. Die Verhöre und Ermittlungen treiben die Spannung hoch, die optische Kühle der Gefängnis- und Polizeiszenen erinnert an die ersten zwei Teile von "Prime Suspect", und Helen Mirren präsentiert sich wieder in Höchstform. Schön auch, dass bis kurz vor Schluss der wahre Hintergrund des Falls im Dunkeln bleibt.

Fans der Serie dürften auch an diesem Dreierpack Gefallen finden. Insgesamt kann aber nur die letzte Folge "Der Duft des Todes" überzeugen, und ohne die oscarprämierte Hauptdarstellerin wären die drei Filme nur knapp über dem Mittelmaß üblicher Fernsehkrimis anzusiedeln. Kein Pflichtkauf.