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Mit dieser Rezension wagen wir uns "In eisige Höhen", und zwar gemeinsam mit dem amerikanischen Journalisten und Bergsteiger Jon Krakauer, der 1996 an einer Mount Everest-Expedition teilnahm, um seiner Zeitung eine gute Reportage über die fortschreitende Kommerzialisierung des Alpinismus zu liefern.
Es war eine Expedition mit tragischem Ausgang, denn am Ende waren fünf von Krakauers Mit-Bergsteigern tot und er selbst nur knapp dem Tode entronnen. Die Zeitungen waren vor knapp zehn Jahren voll von dieser wahren Geschichte. "In eisige Höhen" schildert die Geschehnisse in Form eines Tatsachenberichtes, der sich allerdings spannend wie ein Roman liest.
Das Buch beginnt bezeichnenderweise mit dem Ende der Geschichte: Krakauer, völlig erschöpft und zu keiner Begeisterung mehr fähig, erreicht am Mittag des 10. Mai 1996 den Gipfel des Mount Everest. Wirklich freuen kann sich der Journalist, durch den Sauerstoffmangel schon halb im Delirium, nicht mehr. Bereits nach fünf Minuten auf dem sagenhaften "Dach der Welt" beginnt er seinen Abstieg zum Lager zurück. Einen Hauch von einem Unwetter sieht er zwar kommen, er kann die kleinen Wölkchen am Horizont aber mit seinem benebelten Gehirn nicht so recht einordnen. Eine fatale Fehleinschätzung, die auch andere Expeditionsteilnehmer vornehmen. Am Ende des langen Tages sind fünf Leute tot und andere nur sehr knapp mit dem Leben davongekommen. Der Leser weiß also schon am Anfang sehr genau, was passieren wird, aber das tut der Spannung der Geschichte keinen Abbruch.
Krakauer schreibt sehr minutiös, extrem packend, ehrlich und auch unterhaltsam - der Leser ist ständig hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Missbilligung. Das Buch ist zwar einerseits eine Anklage der modernen Auswüchse des kommerziellen Alpinismus - immerhin mussten die Expeditionsteilnehmer eine riesige Summe für den Aufstieg bezahlen - andererseits aber weckt es Abenteuerlust und fast so etwas wie Verständnis für den widersinnigen Drang, den lebensfeindlichen Gipfel zu erklimmen. Krakauer schildert die Natur und die raue Atmosphäre des Berges so phantastisch, dass man sich am liebsten gleich auf den Weg machen würde.
Trotzdem: Vor allem weil das Buch die Personen, die an dem Unglück beteiligt waren, so genau beschreibt, sie praktisch wieder zum Leben erweckt und auch mit Bildern nicht geizt, wird "In eisige Höhen" den Leser lange Zeit nicht mehr loslassen und ihn betroffen machen.
Sehr bedrückend ist die Erkenntnis, dass der katastrophale Ausgang des Gipfelsturmes das Ergebnis vieler kleiner, aber dennoch unverzeihlicher Fehler war - für sich genommen vielleicht unbedeutend, aber summiert brachten diese kleinen Nachlässigkeiten insgesamt fünf Menschen den Tod. So starb etwa die Japanerin Yasuko Nambo nur 15 Minuten vom rettenden Lager entfernt.
Betroffen macht auch Jon Krakauers Resümee, dass in jener Saison die "Todesquote" (im Mai 1996 starben insgesamt zwölf Menschen auf dem Mount Everest) eigentlich geringer war als in anderen Jahren - nicht außergewöhnlich also.
Am Ende bleiben dem Leser viele Rätsel, die auch Krakauer selbst, der sich für den Tod zweier Bergsteigerkameraden verantwortlich fühlt, nicht beantworten kann.
Der Vollständigkeit halber muss hier noch gesagt werden, dass die Objektivität Krakauers manchmal zu wünschen übrig lässt - nach der Veröffentlichung des Buches gab es eine regelrechte Schlammschlacht zwischen Krakauer und dem leider inzwischen tödlich verunglückten Bergführer Anatoli Boukreev, der seine Sicht der gleichen Dinge in dem Buch "Der Gipfel" beschreibt. Boukreev verzichtet im Gegensatz zu Krakauer jedoch weitestgehend auf Schuldzuweisungen und Vorwürfe. Auch andere Teilnehmer der Expedition von 1996 haben Bücher geschrieben, zum Beispiel Beck Weathers ("Für tot erklärt", ebenfalls ein tolles Buch).
Fazit: Das Buch heißt zwar "Drama am Mount Everest", aber es ist fast nie reißerisch und hat absolut nichts Billiges an sich. Das eigentliche Drama, das tödliche Unglück, nimmt nicht den Hauptteil des Buches ein, und auch wer Bergsteigen ablehnt, wird "Eisige Höhen" mit hoher Wahrscheinlichkeit verschlingen - das Buch ist einfach phänomenal spannend.