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Tenar lebt wieder auf Gont. Nachdem der Erzmagier sie verlassen hatte und auch der Zauberer Ogion sie nicht halten konnte, lebte sie Jahrzehnte an der Seite eines einfachen Bauern, gebar zwei Söhne und hatte keinen Kontakt mehr zu den Mächtigen der Erdsee.
Nun, alt und allein, sorgt sie nur noch für Therru. Das Mädchen ist halbseitig entstellt, denn nachdem sie missbraucht wurde, haben die Täter panisch versucht, das Kind zu verbrennen.
Da ruft Ogion nach ihr. Er liegt im Sterben und will seine letzten Tage mit Tenar verbringen.
Kurz nach dessen Tod trifft völlig überraschend Ged auf Gont ein. Der Erz-Magier hat die Ordnung der Welt wieder hergestellt, indem er im Totenreich mit seiner gesamten Macht die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten wieder errichtete, die der Zauberer Cob eingerissen hatte.
Tenar ist entsetzt. Der einst mächtigste Magier der Erdsee hat seine Kraft gänzlich verloren und ist nur noch ein kranker, alter Mann. Sie nimmt ihn bei sich auf und pflegt ihn. Doch wie vor ihm Ogion ahnt auch Ged, dass Therru eine Macht innewohnt, die sogar der seinen unvergleichlich ist.
Der Frieden für Ged, Tenar und Therru wärt nur einen Winter lang. Dann versucht Aspen, ein Schüler Cobs und Magier auf Gont, Tenar und Therru für seine Zwecke zu missbrauchen.
Achtzehn Jahre nach dem krönenden Abschluss der Erdsee-Trilogie schrieb Ursula K. Le Guin einen vierten Roman über den Erz-Magier Ged und sein Schicksal. Doch schnell - nach gefühlten zweihundert Seiten - merkt der Leser, dass Ged ausgedient hat. Er ist Staffage, spielt nicht mehr die kleinste Rolle und wäre besser im Verborgenen geblieben. Auch Tenar, obschon endlose Monologe und Dialoge bestreitend, ist unwichtig. Die Handlung konzentriert sich mehr und mehr auf Therru - oder Tehanu, wie sie später im Buch heißt. Sie steht für die geschundene Kreatur an sich. Und zum Ende hin versteht man, dass es der Autorin genau darum geht. Um Leid und Unterdrückung und die Schwierigkeit für ein menschliches Wesen, ohne jede Hoffnung oder Hilfe zu existieren und zu einem selbstbewussten Menschen zu werden. Unterdrückung gebiert Unterdrücker, Vergewaltigung führt zu Seelen- und Hilflosigkeit. Doch die Botschaft ist deutlich: Mit ein wenig Unterstützung, moralischer Hilfe und innerer Stärke kann auch ein fast vernichtetes Wesen sich emanzipieren und die Unterdrückung abschütteln.
Doch warum dieses Drama, diese Selbstfindung auf Erdsee stattfindet, warum Ged "wiederbelebt" wird, warum der Trilogie ein vierter Roman an die Seite gestellt wird, entzieht sich der Kenntnis des Lesers. Er hat mit "Tehanu" zwar ein gutes Buch der Autorin vor sich, aber ein Fantasy-Roman oder eine Fortsetzung der Erdsee-Trilogie ist dies inhaltlich nicht. In dieser Hinsicht ist der Roman ein absolutes Desaster.
Dieses Buch ist zu empfehlen, wenn man die Ersee-Trilogie kennt und nicht wissen will, wie es weiter geht. Man wird bitter enttäuscht, wenn man hofft, dass hier Magie und Macht eine Rolle spielen, aber sehr zufrieden sein, wenn man eine psychologisch ausgefeilte Charakterstudie eines geschundenen Menschen lesen will. Diese lebendige und facettenreiche Innensicht eines scheinbar zerstörten Charakters niederzuschreiben, gehört zu den herausragendsten Fähigkeiten der Ursula K. Le Guin. Dies macht "Tehanu" zwar nicht zu einem guten Fantasy-Roman, aber ein lesenswertes Buch ist es dennoch geworden.
Leider vergriffen, kann man "Tehanu" nur noch im Verbindung mit der Erdsee-Trilogie erwerben (ISBN: 978-3492285230) - eine zwar inhaltlich unpassende, aber recht günstige Möglichkeit.