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Vom 15.-17. September 2005 fand in der Universität Kassel die Tagung "Nation - Europa - Welt. Identitätsentwürfe vom Mittelalter bis 1800" statt. Die Beiträge dieses Fachtreffens stammen, neben der Geschichte, aus der Romanistik, der Germanistik und der Politologie und sind nun in dem gleichnamigen Band aus der Reihe Zeitsprünge im Verlag Vittorio Klostermann erschienen.
Dass es sich dabei um eine Erscheinung im Rahmen einer wissenschaftlichen Zeitschrift handelt, wird bei einem Blick ins Inhaltsverzeichnis klar: das Buch beginnt mit Seiten 275.
Es geht in diesem Band um Identitätsentwürfe in verschiedenen Räumen - Ländern/Regionen - zu verschiedenen Epochen im Zeitraum vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert. Die Begriffe Nation, Europa, Welt kamen seit damals immer wieder in Argumentationen vor und halfen, Identitäten zu bilden oder zu bestimmen - auch wenn sich der Begriff der "Nation" erst im 19. Jahrhundert herausbildet, ein Bewusstsein einer politischen, kulturellen oder auch ethnischen gemeinsamen Identität herrschte schon früher vor.
Es handelt sich bei den gewählten drei Wörtern Nation, Europa, Welt um Begriffe, die durchaus in der Lage waren, neue Fakten zu schaffen und Sachverhalte neu zu ordnen. In dem Buch soll in den verschiedenen Beiträgen erörtert werden, welche kulturellen, politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen, religiösen und alltagsweltlichen Faktoren für die Festlegung der Begriffe und der durch sie bestimmten Inhalte relevant waren.
Zunächst wird in dem Buch ein konzeptioneller Rahmen in "Reflexionen und Mentalitätsgeschichte" gegeben. Hier werden die Reibungspunkte zwischen Politik und Wissenschaft ebenso angesprochen wie die Mentalitätsgeschichte.
Danach wird chronologisch gearbeitet. Zunächst widmet sich der Band den "Formen von Identität im Mittelalter", gefolgt von den "Identitätsstrukturen in der Frühen Neuzeit".
Auffällig ist, dass sich das Mittelalterkapitel scheinbar mehr dem Thema Raum - vertreten durch Essays zu Marco Polo und der Kartographie - widmet, wogegen sich das neuzeitliche Kapitel das Thema eher von der kulturellen Seite betrachtet, mit Beiträgen zu Frankreich, Deutschland und dem Kulturtransfer.
Die Verbindungen zur Germanistik dürfte sich in den Beiträgen zum letzten Kapitel, "Nation und Europa - Begriffsbildung und Wahrnehmung" widerspiegeln. Literatur der Neuzeit ist hier in zwei Beiträgen vertreten.
Zudem verfügt dieses Kapitel über eine Schlussbetrachtung, die versucht, ein Fazit aus den Beiträgen dieses Bandes zu ziehen.
Wer schon einmal auf einer wissenschaftlichen Tagung war, kann sich vorstellen, in welchem Stil die Beiträge verfasst sind. Unheimlich dicht wirken sie, als würden wichtige Informationen aus jedem Satz geradezu quellen. Das kann das Lesen sehr bereichernd gestalten, wenn der Aufsatz ein Thema des eigenen Interesses trifft.
Wenn man sich aber nur für ein ähnliches Thema interessiert und aus den Beiträgen nur Anregungen oder weitere Informationen möchte, kann die Lektüre anstrengend und manchmal sogar beschwerlich werden.
Positiv ist da, dass die Länge der einzelnen Beiträge nicht zu erschlagend ist. So liegen die Texte allesamt in einem noch angenehmen Rahmen. Bemängelt werden muss allerdings, dass eine Literaturliste in dem Buch nicht zu finden ist. Weder die einzelnen Beiträge noch das gesamte Werk verfügen über eine Bibliographie. Informationen erhält man nur über Fußnoten. Einzig die Vita der Autoren werden geliefert - aber damit kann man wenig anfangen, möchte man sich weitgehender mit einem der Themen aus den Aufsätzen beschäftigen.
Natürlich ist dieser Band nur Teil einer Zeitschrift - als Monographie, als die "Nation - Europa - Welt" ja auch erhältlich ist, ist dies allerdings ein großes Manko.
Dieses Buch ist wohl vor allem für Fachleute geeignet. Interessierte Leser dürften zwar bei den einzelnen Beiträgen keine zu großen Probleme haben - jedoch bleibt die Frage, ob die einzelnen Themen nicht zu speziell und das Konzept durch die Tagung nicht zu sehr in sich geschlossen ist, um wirklich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu sein.