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Im kleinen schwedischen Städtchen Fjällbacka entdeckt ein Fischer einen grauenhaften Fund in einem seiner Netze: die Leiche eines kleinen Mädchens - es handelt sich um die gerade erst siebenjährige Sara.
Der mit dem Fall beauftragte Polizeikommissar Patrik Hedström fühlt sich besonders betroffen, denn Saras Mutter Charlotte ist mit seiner eigenen Frau Erica gut befreundet. Auch Patrik und Erica haben eine kleine Tochter und können deshalb besonders gut mitfühlen, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren. Dann stellt sich heraus, dass Sara, ein lebhaftes, ungezügeltes Kind mit ADHS, nicht wie vermutet bei einem Unfall ertrunken ist, sondern dass sie anscheinend ermordet wurde. In ihrer Lunge wird rätselhafterweise nicht nur Badewasser gefunden, sondern auch Spuren von Asche und Granit.
Im Zuge der Ermittlungsarbeit tun sich wahre Abgründe hinter der beschaulichen Kulisse Fjällbackas auf. Gleich mehrere Verdächtige rücken ins Visier der Ermittler. Anscheinend wurde Sara am Tag vor ihrem Tode von einem schwarz gekleideten Mann bedroht. Die Spuren eines Pädophilenringes weisen ausgerechnet nach Fjällbacka. Und der Sohn der Nachbarn von Charlotte macht sich ebenfalls verdächtig. Der junge Mann leidet unter dem Asperger-Syndrom, und es ist kein Geheimnis, dass er mit Menschen generell nicht umgehen und Sara nicht ausstehen konnte. Doch hat ihn das zu einem Mord bewogen?
Nach und nach enthüllt Patrik Hedström nicht nur eine Leiche im Keller der Einwohner von Fjällbacka, sondern gleich mehrere. Die Geschichte der Schuld reicht zurück bis ins Jahr 1923 ...
Camilla Läckberg, in Schweden eine äußerst erfolgreiche Krimiautorin, hat mit "Die Töchter der Kälte" einen komplexen Kriminalroman geschrieben, der bisweilen fast an eine Familiensaga erinnert. Zwar gibt es eine Menge Ermittlungsarbeit, aber hauptsächlich hat Läckberg ein faszinierendes Psychogramm der in einer schwedischen Kleinstadt lebenden Familien geschaffen. Hier gibt es fast keinen, der nicht irgendeiner Weise Schuld auf sich geladen hat. Hauptaugenmerk der Autorin liegt auf der Familie und auf den Beziehungen, die Eltern zu ihren Kindern haben und umgekehrt. Dabei wirft sie schmerzhafte Fragen auf: Lieben wir unsere Kinder genug? Werden Kinder wie ihre Eltern? Wie beeinflussen unsere Taten ihr späteres Leben? "Die Töchter der Kälte" ist nach den Romanen "Die Eisprinzessin schläft" und "Der Prediger von Fjällbacka" der dritte Krimi, in dem Patrik Hedström in Fjällbacka ermittelt.
Beim Hören dieser Lesung aus dem Verlag Steinbach Sprechende Bücher ist zuerst einmal Aufmerksamkeit gefragt. Zum einen ist die Lesung sowieso schon sehr lang und hat sehr viele verschiedene Erzählstränge, zum anderen breitet die Autorin ein ganzes Kleinstadtuniversum vor dem Hörer aus. Mehr als zwanzig Namen tauchen auf, die man zu Beginn noch nicht so gut einordnen kann. Es lohnt sich, einen Zettel zur Hand zu nehmen und die verschiedenen Namen und Familienverhältnisse zu notieren - oder extrem aufmerksam zuzuhören. Die Mühe lohnt sich: Zu Beginn scheint die Geschichte noch nicht übermäßig spannend, doch sie entwickelt einen starken Sog, und man fühlt sich unmittelbar hineingezogen in die Geheimnisse dieser vielen Familien. Fast wie in einer Soap-Opera - nur auf viel höherem Niveau - muss man unbedingt weiterhören, will mehr Einblicke in das Leben dieser Menschen. So vergehen die 448 Minuten zwar nicht wie im Fluge, aber mit großem Reiz, denn hier passt eins zum anderen, wird Puzzlestück um Puzzlestück umgedreht. Bisweilen scheinen dabei manche Erzählstränge ein wenig zu kurz zu kommen und lösen sich plötzlich auf, doch damit wird auch der Hörer gleich mehrere Male gelungen aufs Glatteis geführt. Das Ende weist einen Cliffhanger auf, der einen neuen Roman um Patrik Hedström und seine Frau geradezu zur Gewissheit macht.
Getragen wird diese Lesung von Sprecherin Ulrike Hübschmann. Sie scheint zu Beginn noch nicht besonders ausdrucksvoll zu lesen, doch hat man sich einmal hineinversetzt in ihren ruhigen Vortrag, ist es ein großartiges Hörerlebnis, das hier präsentiert wird. Hübschmann verleiht jeder Figur eine eigene Tonlage, stellt Ereignisse und Stimmungen so gut dar, dass man alles als genaues Bild vor seinem inneren Auge sehen kann. Sie flüstert, wenn es zu flüstern gilt, sie schreit und keift und verkörpert so unter anderem den am Asperger-Syndrom leidenden jungen Mann perfekt, ebenso die nörgelige Mutter von Charlotte.
Fazit: "Die Töchter der Kälte" ist ein ruhiger, aber sehr gelungener Kriminalroman, dem die leichte Spröde Schwedens anhaftet. Beeindruckend detailliert und überzeugend ist Camilla Läckberg der Einblick in eine Gemeinschaft gelungen, in der viele Menschen Schuld auf sich geladen haben. Faszinierend und unterhaltsam bis zum Schluss!