Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Leitbarkeit | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Für Cthulhu-Charaktere - zumindest im klassischen Setting - war der 1. Weltkrieg das prägende Trauma ihrer Jugend. Aus verständlichen Gründen konnte im Grundregelwerk nur marginal darauf eingegangen werden, schließlich sind die 1920er die für Cthulhu entscheidende Epoche. Doch auch in weiteren Publikationen wurde das Thema "1. Weltkrieg" bislang nicht aufgegriffen. Um diese Lücke zu schließen, hat Pegasus nun "Niemandsland - Grabenkrieg & Heimatfront" herausgebracht, welches sich ausschließlich mit der Zeitspanne von 1914 bis 1918 befasst.
Der Band ist nach bewährtem Schema in einen Hintergrund- und einen Abenteuerteil gegliedert, wobei letzterer mit "Schwarzer Sand", "Ein Sommenachtsalptraum" und "Wir fahren gen Engeland" drei thematisch passende Abenteuer enthält.
Der Hintergrundteil enthält zum einen alle relevanten "Zahlen, Daten, Fakten", wie auch der Titel verrät. Die darin enthaltenen Informationen sind trotz des begrenzten Platzes umfassend und mit vielen thematisch passenden Fotografien aufbereitet. Zahlreiche zusätzliche Textkästen enthalten weiterführende Informationen, wie beispielsweise Auszüge aus Feldtagebüchern oder Texte deutscher Kriegslieder, die im Spiel eingesetzt werden können. Eine weitere Besonderheit sind die Biografien von sechs historischen Persönlichkeiten wie Paul von Hindenburg oder Ernst Jünger, welche jedoch nicht in einem eigenen Kapitel gebündelt, sondern je nach Thematik an der entsprechenden Stelle in der Spielhilfe platziert sind - so findet sich beispielsweise die Biografie zu Manfred Freiherr von Richthofen im Kapitel über den Luftkrieg.
Der zweite Teil des Hintergrundteils ist mit "Charaktere im Krieg" betitelt und liefert die spielrelevanten Fakten für Charaktere in der Zeit von 1914 bis 1918. Hier finden sich die eher alltäglichen Informationen, wie die verschiedenen Truppentypen, Texte über den Kriegsalltag und ein etwa vierseitiges Essay über die Darstellung der Kriegsschrecken im Spiel.
Der zweite große Teil von "Niemandsland" gehört drei Abenteuern, die mehr oder weniger vor dem Hintergrund "1. Weltkrieg" spielen.
Schwarzer Sand führt die Charaktere im Frühjahr 1914 - während des Ausbruchs des ersten Weltkriegs - in die damalige deutsche Kolonie Namibia, wo sie auf einer Farm Grauenvolles erleben.
Ein Sommenachtsalpstraum ist kein Lektoratsfehler, sondern eine bewusste Anspielung auf die Schlacht an der Somme im September 1916, wo die Charaktere inmitten des realen Schrecken eines Grabenkrieges mit dem Grauen des Mythos konfrontiert werden.
Wir fahren gen Engeland, oder besser gesagt: fliegen, denn das letzte Szenario dreht sich um das Thema Zeppeline. Es basiert in Teilen auf dem Szenario "Rigid Air" aus der englischsprachigen Cthulhu-Publikation "Fearful Passages", wurde jedoch von Autor Ralf Sandfuchs grundlegend überarbeitet. Hier werden die Charaktere mit einem geheimen Projekt der deutschen Marine konfrontiert, das den Kriegsgewinn entscheidend vorantreiben soll. Doch natürlich ist auch hier uraltes Mythosgrauen involviert.
Die drei Abenteuer decken zusammen drei gänzlich verschiedene Orte und Szenarien rund um den 1. Weltkrieg ab und wissen dabei im Großen und Ganzen auch zu überzeugen. Lediglich bei
Schwarzer Sand scheint der Bezug zum Thema des Bandes eher nebensächlich, der Krieg dient hauptsächlich als stimmungsbildender Hintergrund für die Erlebnisse der Charaktere in Namibia. Alle drei Abenteuer besitzen je eine separate Textbox mit Kurzzusammenfassung sowie eine Textbox mit ausführlichem Spielbericht, anhand dessen sich der Leser ein Bild vom möglichen Ablauf des Abenteuers machen kann. Diese beiden Textboxen entwickeln sich bei Cthulhu-Produkten angenehmerweise zu einem Standard, können aber dennoch nicht deutlich genug hervorgehoben werden, da sie einer der Faktoren sind, die die hohe Qualität der Pegasus-Veröffentlichungen ausmachen.
Mit "Niemandsland - Grabenkrieg & Heimatfront" liegt erneut ein überzeugender Quellen- und Abenteuerband für das Cthulhu-Rollenspiel vor. Die darin dargebotenen Informationen zum Thema Erster Weltkrieg sind solide und umfangreich - wenn auch für manche Gruppe wohl etwas zu umfangreich, denn es stellt sich natürlich auch die Frage zur spielrelevanten Verwertbarkeit eines Buches für 29,95 Euro. Wer als Cthulhu-Meister vorhat, seine Gruppe einmal in die Zeit von 1914 bis 1918 zu versetzen, kann hier bedenkenlos zugreifen. Lediglich zur Ausarbeitung der Hintergründe von Charakteren in den 1920ern dürfte die Anschaffung allerdings unrentabel sein. Aber wer weiß, vielleicht bekommt der eine oder andere beim Schmökern ja doch Lust auf ein paar cthuloide Abenteuer zwischen Grabenkrieg und Heimatfront.