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 Auf der Suche nach dem Gedächtnis

Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes

Autoren: Eric R. Kandel
Übersetzer: Hainer Kober
Verlag: Pantheon

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Im Jahr 1929 in Wien geboren, muss Eric Kandel aufgrund seiner jüdischen Abstammung Österreich mit zehn Jahren verlassen. Er und seine Familie emigrieren in die USA. Das letzte Jahr in Wien, das zu diesem Zeitpunkt bereits annektiert worden ist, sei, so Kandel zu Beginn seines Buches "Auf der Suche nach dem Gedächtnis", ganz bedeutend für sein späteres Interesse am menschlichen Geist gewesen.
Während der Student Kandel zunächst Historiker werden will und sich mit österreichischer und deutscher Geschichte auseinandersetzt, lernt er in seinem letzten Collegejahr die Psychoanalyse kennen. Die verspricht, das Rätsel um menschliche Motive, Verhaltensweisen und Erinnerungen zu lösen. Kandel will nun Psychoanalytiker werden und beginnt, Medizin zu studieren. Schon während seines Studiums entfernt er sich zunehmend von der Psychoanalyse, um in der Biologie die Antwort auf seine Frage, wie die Vergangenheit ihre Spuren in unserem Gehirn hinterlässt, zu finden. Auch seine weitere Forschung beschäftigt sich schließlich mit neuronalen Grundlagen zum Lernen und Gedächtnis. Dabei ist er so erfolgreich, dass er im Jahre 2000 zusammen mit Arvid Carlosson und Paul Greengard den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie für Entdeckungen zur Signalübertragung im Nervensystem erhält.

"Auf der Suche nach dem Gedächtnis" verbindet zwei Geschichten miteinander. Da ist zum einen die Geschichte des Lebens und der Forschung des Eric Kandel, und zum anderen wird die Geschichte der Neurowissenschaften erzählt. Auf gewisse Art und Weise steht Eric Kandels persönliche Geschichte exemplarisch für die Geschichte der Wissenschaft des Geistes, die zunehmend von der Biologie bestimmt wurde. Das Bemühen Kandels um ein Verständnis für das Gedächtnis wendet sich einem biologischen Ansatz zu, wird zu dem Bemühen, das Gedächtnis auf zell- und molekularbiologischer Ebene zu verstehen. Aber es ist nicht nur die zunehmend reduktionistische Arbeitsweise, die Kandels Forscherdasein mit der Geschichte der Neurowissenschaften verbindet, sondern auch die Art und Weise, die Geschichten sich und anderen zu erzählen und dabei eine Kohärenz und Stringenz zu schaffen, die so nicht existiert. Beide Geschichten sind merkwürdig bruchlos, sind schiere Erfolgsgeschichten, so dass man bisweilen ein wenig Reibung vermisst. Kritik oder Provokation sollte man hier also nicht erwarten und sich zudem bewusst sein, dass Vergangenheit, obwohl sie stattfand, vom Erzähler in einem aktiven Prozess in eine Geschichte geformt wird. Hin und wieder wird der Leser vielleicht auch Kandels Optimismus hinsichtlich des Erklärungspotentials der Biologie kritisch betrachten und sich wünschen, dass Kandel dies selbst getan hätte.
In seinem Vorwort schreibt Kandel, dass er sein Buch für Leser geschrieben hat, die ohne jedwede Vorkenntnisse eine Einführung in die Naturwissenschaft des Geistes suchen. Das hat er insofern geschafft, als dass er Fachbegriffe erklärt und überhaupt sehr verständlich und leidenschaftlich schreibt. Die Fülle an Informationen zu Versuchsaufbauten und Untersuchungsdesigns, zur Biochemie und Bioelektrizität macht dieses Buch zwar sehr detailreich und damit informativ, aber auch unüberschaubar. Und so werden wohl einige Leser am Ende weniger wissen beziehungsweise behalten, als sie erhofft haben. Andererseits vermittelt Kandel einen tiefen Einblick in die Forschung und die reduktionistische Sichtweise der Neurobiologie, so dass der Leser am Ende vielleicht nicht "weiß", so doch immerhin ein Gefühl für die Bedeutung der Forschung und die Arbeitsweise Kandels und seiner Kollegen hat.

Mit einer gewissen kritischen Distanz gelesen, bietet Kandels "Auf der Suche nach dem Gedächtnis" eine spannende und tiefgehende Reise in die Neurowissenschaften. Manchmal ist sie etwas anstrengend und kann den Leser angesichts der Detailfülle und Tiefe überfordern, aber immer schafft sie es, die Begeisterung und Leidenschaft des Autors für sein Fach und das Leben überhaupt zu vermitteln. Zudem lernt man einen großen Wissenschaftler unserer Zeit kennen. Für alle, die Interesse an den Neurowissenschaften haben, ist das Buch also, trotz einiger Kritikpunkte, absolut zu empfehlen.

Katja Maria Weinl



Taschenbuch | Erschienen: 1. Oktober 2007 | ISBN: 9783570550397 | Preis: 14,95 Euro | 524 Seiten | Sprache: Deutsch

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