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Bekannt geworden ist Bob Woodward durch die Berichterstattung zum Watergate-Skandal in der
Washington Post, für die er 1973 zusammen mit seinem Kollegen Carl Bernstein den Pulitzer-Preis bekam. In den letzten Jahren jedoch ist Woodward nicht als Reporter ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt, sondern als Chronist der amerikanischen Regierung.
Woodward beginnt seine Chronik noch vor der Wahl George W. Bushs zum amerikanischen Präsidenten. Und während die wenigen Kapitel zu Beginn des Buches George W. Bush in den Mittelpunkt rücken, ist die eigentliche Hauptperson des Buches Donald Rumsfeld, der als Unsympath mit Kontrollzwang geschildert wird. Aber auch Bush selbst kommt nicht gut weg, ebenso wenig der Rest der amerikanischen Regierung. Versäumnisse, Rohheit, Dummheit und Blindheit, persönliche Streitigkeiten - all das scheint die amerikanische Politik rund um den Irakkrieg auszumachen. "Die Macht der Verdrängung" ist der wohl überlegte Titel des Buches, weil manches nur mit diesem psychischen Mechanismus erklärt werden kann oder aber mit unbekümmerter Rohheit oder gar Unmenschlichkeit - beispielsweise wenn Bush in einem Militärkrankenhaus verwundete Soldaten besucht, sprachlos vor dem Bett eines Soldaten steht, dessen Haut zu etwa 99% verbrannt ist, und im Anschluss vor die Presse tritt, um von einem eigenen "Kampf", dem mit einem Baum auf seiner Ranch, zu berichten: "Wie Sie wahrscheinlich bemerkt haben, habe ich mich selbst verletzt, nicht hier im Krankenhaus, sondern im Kampf mit einer Kiefer. Ich habe schließlich gewonnen, aber die Kiefer hat mir einen kleinen Streifschuss versetzt." (S.581)
Während in Woodwards erstem Buch,
Bush At War - Amerika im Krieg, die Zeit nach den Anschlägen vom 11. September beschrieben wird und Bush darin ein Mann ist, der weiß, was zu tun ist, war das Bild von Bush im zweiten Buch,
Der Angriff - Plan Of Attack, verhaltener gezeichnet, wenngleich nicht wirklich kritisch. Nach dem Erscheinen von "Die Macht der Verdrängung - State Of Denial" hörte man schließlich allerorten die Frage, wie es zu der 180-Grad-Drehung Woodwards vom Hofberichterstatter zum Kritiker gekommen sei. Woodward musste sich Opportunismus vorwerfen lassen, insbesondere auch, da sein Buch fünf Wochen vor den Kongresswahlen auf den Markt kam. Wie auch immer man Woodwards Entwicklung und sein Verhältnis zur Spitze der Macht sieht, "Die Macht der Verdrängung" ist ein Stück Zeitgeschichte, geschrieben von einem Urgestein des amerikanischen Journalismus.
650 Seiten umfasst Woodwards Geschichte, die trotz des umfassenden und detaillierten Inhalts durchweg gut zu lesen ist, baut Woodward doch auch immer scheinbar unwichtige, aber auflockernde Details ein. Nicht zuletzt sind es diese Details, die die Personen vor den Augen des Lesers lebendig werden lassen. Woodward hat sich der objektiven Berichterstattung und Neutralität verschrieben, den Leser erwartet also keine Polemik im Stile Michael Moores.
Im Grunde beherbergt dieses Buch keine wirklich neuen Erkenntnisse. Das Bild, das von Bush gezeichnet wird, ähnelt dem, das man hierzulande bereits öfter in Presse und Feuilleton lesen konnte. Das eigentlich Interessante ist, dass Woodward für alle drei Bücher auf zum Teil identische Quellen zurückgegriffen hat und die fertigen Portraits der amerikanischen Regierung und ihres Präsidenten trotzdem sehr unterschiedlich sind. Was für einige Leser sicher keine neue Erkenntnis darstellt, dass nämlich objektive Berichterstattung prinzipiell nicht möglich ist, zeigt Woodward, wenn auch ungewollt, mit seiner Trilogie über die amerikanische Regierung Bush.