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Der Motivschatz und Symbolgebrauch des Menschen sei universell, so die Autoren von "Weltsprache Kunst" in ihrem Epilog. In allen Mythen und Märchen gebe es ähnliche Motive.
Die stammesgeschichtliche Entwicklung des Menschen hat ihre Spuren hinterlassen, obwohl sich Kulturen natürlich durch ihre Stile oder Symbolisierungen auch unterscheiden, voneinander abgrenzen und Identität stiften. Das Verbindende aber ist es, was dieses Buch zu ergründen sucht. Warum ist die Kunst eine Weltsprache und wie lauten ihre Gesetzmäßigkeiten?
Beginnend mit den Anfängen der bildlichen Zeichensetzung in der Steinzeit und der Entwicklung kindlicher Zeichenbildung wird die Frage aufgegriffen, was Kunst ist und welche Funktion Bild-Sprache und Kunst haben. Ist allein die absichtsvolle Zeichensetzung, sind also in einen Mammutknochen geritzte Kerben, Kunst? Was veranlasst Menschen künstlerisch tätig zu sein? Nach den Autoren darf angenommen werden, dass genannte Kerben unter anderem eine ästhetische Befriedigung besaßen, und so ist dem Begriff des Schönen, seiner Herkunft und Entwicklung ein eigenes Kapitel gewidmet, dem sich die Frage nach dem phylogenetischen, also stammesgeschichtlichen, Erbe des Menschen hinsichtlich seines kulturschaffenden Verhaltens anschließt. Darauf aufbauend befassen sich die Autoren mit Mechanismen, die den Menschen beim Sehen leiten, wie beispielsweise die Gestaltgesetze. Was bedeutet diese Art unserer Wahrnehmungsorganisation für die Kunst? Es schließen sich Betrachtungen über die Darstellung der Natur und des Menschen in Bildern von der Frühzeit bis zur Moderne an. Auch die zu politischen Zwecken instrumentalisierte Kunst wird besprochen. Welche Mechanismen spielen bei der Verführung durch die Kunst im Dienste politischer Propaganda eine Rolle? Obwohl sicher auch politische Kunst zum Grotesken neigen kann, wird ihm, dem Grotesken, vor allem in Form des Obszönen, das letzte Kapitel gewidmet. Der Anhang enthält unter anderem ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis, Anmerkungen und einen Bildnachweis.
Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Naturwissenschaftler und nicht unumstrittener Ex-Schüler von Konrad Lorenz, sowie seine Mitarbeiterin Christa Sütterlin, Kulturwissenschaftlerin, haben sich viel vorgenommen. Der Untertitel verspricht einen vielseitigen Blick auf die "Weltsprache Kunst", und genau das wird dem Leser auch geboten. Allerdings wirken die 543 Seiten im Bildbandformat, der schwere Einband und überhaupt die drei Kilogramm des Buches recht einschüchternd auf den neugierigen Laien. Natürlich sind viele Bilder in dem Buch, wenn auch kaum ganzseitig, die den umfangreichen Text auflockern und illustrieren, aber die Masse an Text wirkt übermächtig. Das Format und Gewicht des Buches machen es nicht gerade zu einer angenehmen Lektüre. Bequem auf dem Sofa liegend oder im Sessel fläzend, kann man dieses Buch nicht lesen. Das Buch auf den Knien liegend, ist auf Dauer auch keine angenehme Leseposition. Am besten sitzt man zum Lesen an einem Tisch, was jedoch ein Gefühl des Studierens und weniger das einer anspruchsvollen Unterhaltung aufkommen lässt. Das ist passend zum teilweise recht akademisch geschriebenen Inhalt, der jedoch immer auch verständlich und spannend ist und dem Leser neue Blickwinkel eröffnet. Man muss das Buch nicht von Anfang bis Ende lesen, sondern kann sich einzelne Kapitel heraussuchen und diese studieren. Insgesamt halten die Autoren die Balance zwischen anspruchsvoller Informationsvermittlung und spannender Lektüre recht gut.
Dies ist kein Kunstbuch im engeren Sinn. Es ist ein Buch über die Kommunikation durch Bilder im Spannungsfeld von Evolution und Kultur. Das macht es für viele Leser interessant, so sie sich denn von der Masse nicht einschüchtern lassen. Wer sich für die bildliche Kommunikation interessiert, kann sich hier bis zur Erschöpfung den Ausführungen der beiden Autoren hingeben.