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Neben dem schicken Barcelona, dem der Touristen und Architekten, existiert ein anderes, ein rebellisches Barcelona. Wer sich auf die Suche nach diesem widerständigen Geist der Stadt machen möchte, dem sei dieser alternative "Stadtführer" empfohlen. Es ist ein Führer durch das Barcelona der Rebellen, Hausbesetzer, Immigranten, Streikenden und Revolutionäre. Die Stadt blickt auf eine reiche aufrührerische Geschichte zurück, die viele Plätze, Monumente, Bars und Gebäude noch immer bezeugen. Die Bewohner gingen stets mit Entschlossenheit und Selbstbewusstsein gegen ihre Unterdrücker vor und es kam häufig zu Aufständen und Streiks gegen Kinderarbeit, Zwangsrekrutierung, Franquismus, unmenschliche Arbeitsbedingungen oder den Abriss der Wohnquartiere. Waren es früher eher die Arbeiter, Frauen und Kinder, die entrechtet waren, geht es heute um Spekulation und Ausgrenzung, Immigranten und Illegale.
Nach einem Vorwort von Manuel Delgado, Professor für Anthropologie, wird zunächst auf die Aufstände in Barcelona von 1835 bis 1951 eingegangen. Danach wird der Leser aufgefordert zu einem alternativen Stadtrundgang, angefangen auf dem Montjuic und Poble Sec geht es weiter über Gracia und Sant Andreu bis zum L´Eixample. Das Buch präsentiert Essays über das andere Barcelona, dessen Hauptakteure keine Gelehrten, Architekten oder Künstler waren, sondern bekannte Rebellen oder anonyme Menschenmengen, die sich zur Herausforderung der Macht versammelt haben. So werden vorgestellt Josep Lluí I Facerías, Kellner und Stadtguerillero, die Escuela Natura, eine alternative Schule, die 1906 gegründet wurde, oder das Kino Princesa in der Via Laietana 14, das Monate lang besetzt war, bis es von der Polizei geräumt wurde. Aber es finden sich auch bekannte Persönlichkeiten, wie Garcia Lorca, Emma Goldberg oder Jean Genet. Am Ende des Buches findet der Leser ein Glossar der wichtigsten Begriffe und Organisationen und ein Sachverzeichnis, um auf Gesuchtes schnell zuzugreifen.
Der Inhalt des Buches wird dem Titel voll gerecht und es wird ein Bogen gespannt von den Aufständen Anfang des neunzehnten Jahrhunderts bis zu den Hausbesetzungen und Demonstrationen heute. Dies alles wird anschaulich und interessant beschrieben, so dass schon die Lektüre lohnt, ohne dass man die Orte besucht. Die einführenden Worte Delgados, in denen er auch einige Aktionen der jüngsten Zeit beschreibt - die Kampfbereitschaft und Solidarität der Barceloneser ist also ungebrochen und auch heute noch gehen Tausende auf die Straße gegen Ungerechtigkeit - sind sehr aufschlussreich. Die Stadtpläne zu Beginn der Kapitel geben einen guten Überblick über die Orte, von denen nachfolgend die Rede ist und die genau eingezeichnet und nummeriert sind. Das Buch wimmelt natürlich von Stimmen gegen die offizielle Politik, Geschäftemacher und andere Machtinhaber, das ist ja bei dem Titel auch nicht anders zu erwarten und es hat ja auch nicht den Anspruch eine repräsentative Meinung darzustellen. Zahlreiche historische Fotos und Zeichnungen illustrieren die Texte und machen das Buch anschaulich. Das Buch bietet eine Fülle an Informationen und geschichtlichem Hintergrundwissen.
Ein empfehlenswertes Buch nicht nur für die politisch Linke und Autonome, sondern für alle, die bei einem Besuch von Barcelona mehr in die Tiefe gehen und hinter die Kulissen schauen wollen oder sich mit der Geschichte der katalanischen Hauptstadt privat oder beruflich auseinandersetzen möchten.