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Der mächtige Drache hat eine so gewaltige Größe erreicht, dass die Drachenkämpferinnen ohne jede Chance sind. Unzählige Schädel türmen sich neben dem Monster und nichts und niemand kann es und seine verheerende Wirkung auf die umgebende Landschaft, auf Pflanzen, Tiere und Menschen im Umkreis von vielen Meilen mehr aufhalten. Das Übel, die schreckliche Verformung von Seele und Körper, belebter Natur und selbst der Steine, breitet sich immer weiter aus.
Nur die zauberkundigen Frauen des Drachenritterordens, die sechs "Schwestern der Rache", können noch einschreiten. Sie entfesseln in der Nähe des Drachen einen gewaltigen Feuerball, der alles verschlingt. Auf Hunderten von Meilen wird sich für Tausende von Jahren kein Leben mehr regen. Diese ultimative Waffe der Drachenritter wird nur in allerhöchster Not angewandt, ist sie doch mit furchtbaren Konsequenzen für die Bevölkerung verbunden. Denn Hunger und Tod sind die unmittelbaren Folgen dieser Vernichtung. Landwirtschaft, Handel, ein gewöhnliches Leben ist in der gesamten Region unmöglich geworden und riesige Flüchtlingsströme verlassen das Gebiet.
Doch einige wenige Abenteurer versuchen Kapital aus dieser Situation zu ziehen. Auch Hairin, seine Frau, seine Schwägerin und seine Nichte gehören zu diesen Glücksrittern. Sie wagen sich unmittelbar nach der Katastrophe an den Ort der Vernichtung und suchen in der Nähe des Drachenskeletts nach verwertbaren Überresten. Viele Edelsteine, die durch das Übel im Boden entstanden sind, und zahllose Artefakte des Kampfes gegen das Untier warten nur darauf, entdeckt zu werden.
Auch die Drachenritterin Mara ist unterwegs in die Region. Sie folgt einem Hilferuf, der einen weiteren Drachen in der Nähe vermuten lässt.
Wer den Comicband "Das leblose Land" erstanden hat und sich die ersten Seiten ansieht, reibt sich verwundert die Augen. Die Bilder sind von völlig anderer Qualität, ähneln nicht im mindesten den beiden ersten Teilen der Drachenritter-Saga. Sie sind weicher, zarter, gehen mehr ins Detail und betonen Gesten, Mimik und Gefühlslage der Menschen sehr viel stärker. Sie wirken aber auch angesichts der grausamen Geschichte, der schrecklichen Zustände, in denen die Überlebenden existieren müssen, irgendwie fehl am Platz.
Doch die nächste Überraschung folgt sogleich. Die Geschichte konzentriert sich wider Erwarten genau auf das, was die Bilder stärker betonen und verdeutlichen; auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die Liebe zwischen ihnen, den Hass, der sie vorantreibt und die komplexen und tragischen Familienverhältnisse einer einzigen Familie. Diese werden der Sehnsucht und Verzweiflung einer Drachenritterin gegenübergestellt. Ihr für sie kaum aushaltbarer Verzicht auf Liebe und ein Kind, das sie erziehen möchte.
Und ein weiterer Punkt, der in den ersten beiden Alben von zentraler Bedeutung war, fehlt: Die laszive Schönheit der Drachenritterinnen, das extrem geile Outfit der Kämpferinnen. Mara ist in Umhänge gehüllt, die kaum ihr Geschlecht erkennen lassen und zeigt auch sonst wenig von ihren Formen und ihrer Weiblichkeit.
Doch ANGE, das Autorenpaar Anne und Gérard Guéro, haben genau dies bezweckt. In diesem dritten Album geht es um die psychologische Befindlichkeit der Dracheritterinnen, die emotionale Krisensituation, der sie permanent ausgesetzt sind. Dem gegenüber gestellt wird die Situation in einer "normalen" Familie. Der gegenseitige Hass zweier Brüder, der lange Schatten eines übermächtigen Vaters, der seine Kinder am Totenbett verfluchte, die blinde, scheinbar ohne Liebe aufgewachsene Schwester, der unterdrückte Bruder, das völlig allein gelassene Kind werden dem Einfluss des Übels ausgesetzt. In diesem Mikrokosmos beleuchten die Autoren - kongenial unterstützt vom Zeichner Sylvain Guinebaud - die Mechanismen ihrer Welt. Sie hinterfragen geschickt, was Drachenritter, was Menschen in dieser Extremsituation antreibt und wohin sie sich entwickeln.
Was für ein Comic. Grandiose Bilder, eine vielschichtige, komplexe und faszinierende Geschichte, fantastische Kämpfe, tragische Verwicklungen und ein Ende, das lange nachwirkt. Diese Folge ist ein absoluter Höhepunkt der Drachenritter-Saga und gehört zum Besten, was im Bereich der Fantasy-Comic in letzter Zeit erschienen ist.
Auch wenn es zunächst seltsam anmutet und in keiner anderen Comic-Serie so konsequent versucht wurde, die Entscheidung, jeweils einen anderen Zeichner mit der Umsetzung der ersten drei Geschichten von ANGE zu betrauen, erweist sich einmal mehr als genialer Schachzug. Nicht zuletzt dank Sylvain Guinebaud ist "Das leblose Land" ein absoluter Leckerbissen für Genre-Fans.