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Literatur und Bilder von Leserinnen - das scheint ein Erfolgsrezept zu sein, dem niemand widerstehen kann. Ähnlich wie Leseempfehlungen, die überall in den Buchläden hervor sprießen. Was liegt da näher, als beide Konzepte zu verbinden und ein Buch voller lesender Frauen mit Empfehlungen für lesende Frauen herauszubringen? Ob dies wirklich die Gedanken von Sabrina Melandri waren, wird an dieser Stelle ungeklärt bleiben. Vielleicht war es ja auch die Geschenkidee für die beste Freundin, die nun über den Thiele Verlag den Weg in den Buchhandel gefunden hat?
Was erwarten einen nun, wenn man das Buch sein Eigen nennt? Zunächst mal ein handliches, beinahe quadratisches Hardcover. Für einen Bildband zu klein, auch wenn man beim Durchblättern sehr schnell merkt, dass Bilder von lesenden Frauen einen Großteil der Seiten in Beschlag nehmen. Tatsächlich ist praktisch jede zweite Seite mit einem solchen Titel gebenden Bild bedruckt. Die wirklich nur mit Text versehenden Doppelseiten werden durch großformatige Bilder ausgeglichen, die vor jedem neuen Kapitel zwei Seiten bedecken.
Ein allzu textlastiges Werk kann man also nicht erwarten. Obwohl man in den ersten fünf Seiten fast vom Gegenteil bezeugt wird. Hier schreibt Sandra Melandri über lesende Frauen im Allgemeinen und das Lesen im Speziellen. Verziert mit Zitaten zum Thema Lesen und Zeichnungen von lesenden Frauen - beides wird die anderen Texte des Buches begleiten - wirkt dieser kurze Essay etwas unausgeglichen und dadurch leider langatmig. Von der Tatsache, warum die Bilder von lesenden Frauen so besonders sind, zu dem "Flow" beim Lesen hat man schnell das Gefühl, jedes Thema aus Essays übers Lesen wurde hier einmal kurz angeschnitten.
Es folgen persönliche Erfahrungen von berühmten Schriftstellern. Die einseitigen Texte sind sicherlich zu kurz, um langatmig zu werden, aber auch hier fragt man sich, was bezweckt werden sollte. Die Erfahrungen sind bunt gemischt, von ersten Leseerfahrungen über ganz besondere Leseerlebnisse zu Wünschen zum perfekten Buch ist in den zehn Beiträgen alles vertreten. Ob man von den Texten angesprochen wird, hängt dabei sehr stark davon ab, was für eine Art von Leser man ist - denn um wirklich das beschriebene Gefühl zu vermitteln, sind die Texte zu kurz. Am Ende wünscht man sich, Sabrina Melandri hätte sich auf Bemerkungen und Kommentare zu lesenden Frauen beschränkt - immerhin hätte das zum Thema des Buches gepasst.
Da es sich bei dem ganzen um ein "Journal für leidenschaftliche Leserinnen" handelt, folgen Listen, die den Hauptteil bestreiten sollen.
Zunächst persönliche Empfehlungen von Frau Melandri. Hier findet man jeweils zehn Bücher aus den unterschiedlichsten Kategorien. Dabei findet sich "Unterhaltungsliteratur" wie Krimis oder Phantastik ebenso wie erotische Literatur oder Klassiker. Allerdings finden sich Kategorien, die sich überschneiden (wie die Kinderbücher), und andere, die man auf den ersten Blick nicht wirklich einschätzen kann.
Es folgt der Teil, bei dem man selbst aktiv werden soll. In "persönliche Listen" soll die Leserin nun selbst eintragen, was sie gerne wann liest. Angefangen in der Kindheit mit den ersten Büchern geht es zu den Stimmungen über - im Sinne von "den schönsten Leseerfahrungen" oder "Bücher, die mich inspirieren". Auch hier kommt es vor, dass man bei einigen Listen nicht weiß, was man nun eintragen soll - vor allem, wenn eine ähnliche Liste schon mal vorkam.
Noch etwas verworrener - oder poetischer, wenn man es in ein positives Licht tauchen möchte - ist das Lesetagebuch. Hier kann man zu Themen wie "Glück empfinden" oder "Gedanken fassen" etwas eintragen. Ob Buchtitel oder Zitate - keine Ahnung. Entscheiden Sie selbst.
Danach wird noch was für die Bildung getan und in einer "Klassiker Bibliothek" Weltliteratur empfohlen. Tatsächlich ist dies auch die einzige Stelle im Buch, wo die Wahl eines Autoren etwas begründet wird: nämlich in der Kategorie "Dichter empfehlen Dichter".
Es folgt noch ein lustiges Ratespiel zum ersten Satz aus wichtigen Büchern. Damit sich das Buch am Ende auch lohnt, gibt es noch Geschenk-Listen. Interessanter dabei ist, dass die Liste für Bücher, die man verschenkt hat, doppelt so lang ist wie die Liste mit Büchern, die man sich selbst wünscht. Aber wenn der Partner schon an das Buch geht, kann er sich auch die Mühe machen, in den ganzen Listen nach Geschenkideen zu suchen.
Was will dieses Buch? Nun, es scheint das perfekte Geschenk zu sein. Ein Buch, mit lauter Listen und netten, kurzen Texten zum Thema Lesen. Aber wem soll man das Buch schenken? Eine junge Frau könnte viele der Texte und Leseempfehlungen zu altbacken finden. Leidenschaftliche Leserinnen, die das Buch ja schon auf dem Cover anspricht, dürften weit mehr als zehn Bücher zu dem einem oder anderen Thema kennen beziehungsweise lieben. Übrig bleibt da vielleicht noch die gute Bekannte, die pensioniert wird und jetzt endlich wieder Zeit zum Lesen hat.
Und was ist mit den Listen? Soll man sie ausfüllen, bevor man das Buch verschenkt, um persönliche Leseempfehlungen zu geben? Oder soll die Beschenkte das Buch wirklich selbst ausfüllen? Und was soll man tun, wenn man wirklich nichts mit den Kategorien anfangen kann?
Am Ende kann man sagen, es bleiben ja immer noch die hübschen Bilder von lesenden Frauen. Aber das ist eben nur das halbe Buch - und um noch als Bildband Rettung zu bieten, hätte das Format in der Größe angepasst werden müssen. Zudem kann es sein, dass die Texte von den Bildern ablenken, oder umgekehrt.
So ist es ein ambitioniertes Buch, das viel will, aber viel zu wenig ins Detail geht, um wirklich zu überzeugen. Es ist nett, dürfte aber viel eher im Regal landen als benutzt zu werden. Eigentlich schade.