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 Der Untergang des Römischen Weltreichs


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Der Untergang des römischen Weltreichs hat seit jeher die Historiker beschäftigt. Wie war es möglich, dass dieses gewaltige Reich - das größte, einflußreichste und zugleich langlebigste Imperium der Menschheitsgeschichte - zusammenbrach, und dies kaum 100 Jahre nach seiner größten Machtentfaltung? Vielerlei Gründe wurden für den Niedergang angeführt: die verrohenden Sitten der römischen Gesellschaft (Ammianus Marcellinus), das Christentum, dessen Klöster die fähigsten Köpfe der Elite abwarben (Edward Gibbon), die wachsende Steuerlast nach den Reformen Diokletians, vor allem aber die verstärkte Aufnahme von Germanen in das römische Heer. Die Folgen sind bekannt: 410 n.Chr. wurde Rom erstmals von den Ostgosten geplündert, weitere Niederlagen gegen Goten, Hunnen und Vandalen brachten das - längst zweigeteilte - Reich an den Rand der Vernichtung, 476 wird der letzte weströmische Cäsar Romulus Augustus, ein Kind, von dem Skirenfürsten Odoaker abgesetzt. Das oströmische Reich überlebt, seine Machtfülle bleibt aber bedroht und wird spätestens mit dem Aufkommen des Islam auf ein Mindestmaß reduziert.

Peter Heather, ein nordirischer Historiker der jüngeren Generation, hat sich dem Fall des Weltreichs erneut angenommen. Sein Ziel ist es, mit vereinfachenden Mythen der Geschichtsschreibung aufzuräumen und Roms Untergang aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Tatsächlich zeichnet Heather ein faszinierendes Bild der spätantiken Welt, denn er rückt die "Barbaren" in den Mittelpunkt seiner Betrachtung - und dies nicht erst zu dem Zeitpunkt, da sie zum Sturm auf Italien ansetzen. Schon im 1. Jahrhundert n. Chr. sieht er die Ursprünge jener Krise, die Rom schließlich das Genick brachen: Dass nämlich die Grenze zwischen der römischen Zivilisation und der Welt der Barbaren in Gallien, Germanien und Thrakien schon immer durchlässig war, es keine eindeutige Trennung dieser zwei Einheiten gab. Faszinierende Details deckt Heather auf: Wie rasch sich "barbarische" Siedlungen romanisierten und wie wechselhaft die Bündnisse der germanischen Völker waren; dass Rom niemals der Hauptfeind der Germanen war, sondern ein Gegner unter vielen; dass Rom nur mithilfe der germanischen Söldner seinen gefährlichsten Gegner - das persische Sassanidenreich - in Schach halten konnte; dass das fragile Gleichgewicht zwischen Römern und Barbaren erst dann aus dem Gleichgewicht geriet, als die Hunnen gen Europa drängten; dass die erste Plünderung Roms äußerst zivil vonstatten ging und einen symbolischen, aber nicht militärischen Sieg für die Goten darstellte. Flüssig verquickt Heather dabei Ereignis- und Personenschilderungen mit profunder Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, flechtet die jüngsten Erkenntnisse zur römischen Verwaltungsstruktur mit ein und zeigt, wie eng die kulturellen Bindungen zwischen Römern und "Barbaren" waren. Immer wieder entdeckt Heather zudem erstaunliche Parallelen zu neuzeitlichen Entwicklungen, was erhellend und oft auch amüsant für den Leser ist. Überhaupt ist "Der Untergang des Römischen Weltreichs" brilliant geschrieben: Trotz der hohen Detailfülle und Heathers ständigem Vorwärts- und Zurückspringen in der römischen Geschichte bleibt der rote Faden immer erkennbar, und trotz größtmöglicher Sachlichkeit bleibt seine Untersuchung immer unterhaltsam. Vor allem gelingt es Heather, die unterschiedlichen Personen glaubhaft und vielschichtig darzustellen: Gratian und Valens, Aetius und Constantius III., Alarich und Geiserich, Attila und Fritigern ... Namen, die jedem vertraut sind, die hier, überspannt von einem großen historischen Bogen, überzeugend in Zusammenhang gebracht werden, ohne die Geschichte auf diese "großen Männer" zu reduzieren. Denn immer wieder geht Heather auch auf die Strukturgeschichte ein, wagt Blicke in die Provinz, fern der großen Schlachten, wo der schleichende Niedergang Roms auch die einfachen Leute beeinflußte: die germanischen Grenzgebiete, Nordafrika, Thrakien, Britannien ...

Heather ist in der Tat ein Meisterwerk gelungen; elegant in der Darstellung, reich an Fakten und Hintergrundwissen, lesbar für Fachleute und Interessierte gleichermaßen, spannend wie ein Krimi und gewaltig wie ein üppig ausgestatteter Historienfilm, kurz: brilliant.

Hagen Hoffmann



Hardcover | Erschienen: 01. Oktober 2007 | ISBN: 9783608940824 | Originaltitel: The Fall of the Roman Empire: A New History | Preis: 34,50 Euro | 640 Seiten | Sprache: Deutsch

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