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Diesen Tag wird Elyria nie vergessen. Entgegen der Warnungen ihres Bruders Gwynn bringt sie das Medaillon, das sie im Schlamm in der Nähe ihres Zeltes gefunden hat, zum Tempel der Priester. Doch dort hält man sie für die Diebin dieses Artefaktes. Trotz ihrer verzweifelten Versuche, die Priester umzustimmen, nimmt man das glühende Eisen und brandmarkt sie als Diebin. Doch ihr Leiden endet nicht mit diesem grausam vollstreckten Urteil, denn der obere der Hexenjäger nimmt einen goldenen Schimmer in ihren Augen wahr. Völlig erstarrt lässt er Elyria in seine Kammer bringen. Er glaubt, sie sei die in einer alten Prophezeiung angekündigte "Frau mit den goldenen Augen", die die Welt vernichten wird. Er droht ihr furchtbare Folter an, wenn sie nicht gesteht, gerät aber selbst in Zweifel ob ihrer offenkundigen Hilflosigkeit.
Elyria wird eingekerkert und gepflegt. Doch sie ahnt, dass dies nur geschieht, um sie später um so grausamer zu foltern. Auf dem Weg zum Hohepriester berührt sie durch Zufall einen vorbeieilenden Mann. Ardan, treuer Diener des Königs, spürt eine seltsame Verbundenheit mit der jungen Frau und nimmt verstört die blauen Blitze wahr, die zwischen ihnen aufleuchten.
Als er wenig später bemerkt, dass die von ihm seit Jahrzehnten sorgsam in seinem Inneren verborgene Magie fort ist, sucht er verzweifelt nach Elyria. Sie muss ihm seine Magie wiedergeben.
Doch die junge Frau ist verschwunden. Nachdem der Hohepriester wahrgenommen hat, dass Elyria den Geruch von Magie verströmt, und sie zu foltern beginnt , bricht die Magie sich Bahn und schleudert ihn trotz seiner Schutzamulette quer durch den Raum. Die geschwächte Elyria taumelt davon, sinkt aber wenige Meter später völlig kraftlos zu Boden. Und wieder hilft ihr ein Unbekannter. Crean, Anführer einer gefürchteten Gruppe Hexenjäger und Stellvertreter des Hohepriesters, verhilft ihr zur Flucht. Ohne selbst zu wissen warum, bringt er sie in Sicherheit und hilft ihr, endgültig zu entkommen. Elyria, noch wenige Tage zuvor ein einfaches Mädchen aus dem Volk der Gaukler und Artisten, die von Stadt zu Stadt ziehen, sieht sich von Hexenjägern verfolgt und als Diebin gebrandmarkt. Zudem scheint die in Zeiten des neuen Gottes überall verfemte und verfolgte alte Magie in ihren Adern zu fließen. Doch warum und wie dies möglich ist, kann sich Elyria nicht erklären.
Das neue Buch der Fantasy-Autorin Brigitte Melzer schlägt ein wie eine Bombe. Ohne lange Vorreden oder Erklärungen wird der Leser in eine Welt versetzt, die faszinierend unbekannt ist. Vielschichtig sind die Bedrohungen, komplex die Vorgänge und nur wenig Informationen erhellen zunächst die dunkle Welt, die von grausamen Vernichtungsfeldzügen in der Vergangenheit, magischen Wesen, Priestern eines neuen Gottes, Elfen, Druiden und weiteren Fraktionen nur andeutungsweise berichtet. Ein wenig verloren findet sich der Leser im Leben von Elyria wieder. Und ähnlich wie sie wird auch er in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, die er kaum versteht und noch viel weniger einschätzen kann.
Doch der ungemein packende Stil der Autorin lässt kaum Zeit für genauere Betrachtungen. Voller Dramatik steigert sich die Geschichte fast ohne Brüche oder ruhige Phase in ein Crescendo. Die zum zerreißen gespannten Nerven des Lesers werden nur sehr selten, dafür aber umso tiefgreifender von Phasen voller Romantik und herrlich kitschiger Szenen unterbrochen. Brigitte Melzer versteht es wie kaum eine andere Autorin, diese ebenso ehrlich wie ungezwungen wirken zu lassen. Es kommt zu keiner Zeit das Gefühl auf, diese Romantik wäre aufgesetzt oder als zusätzliches Element eingestreut. Zu sehr passen die Szenen zum Charakter der jungen Heldin. Auch die männlichen Gegenspieler werden scharf und differenziert gezeichnet. Auch wenn man die Mechanismen der Welt kaum versteht - zu viele Parteien werden nur kurz angerissen und wie im Nebel positioniert -, folgt man der Autorin doch willig durch die dreihundertzweiundfünfzig Seiten. Vielmehr wünscht man sich nach dem tränenreichen, erschütternden Schluss noch mindestens weitere zweihundert Seiten Erklärungen und Antworten. Doch vielleicht - so hofft wohl fast jeder Leser dieses Buches - gibt es ein weiteres Abenteuer in Cartómien, der Welt Elyrias.