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Am 19. März 2003 verkündete der US-amerikanische Präsident George W. Bush, dass die bereits erwartete Invasion in den Irak unmittelbar bevorstehe. Nach Bush ging es bei diesem Angriff darum, "den Irak zu entwaffnen, sein Volk zu befreien und die Welt vor einer großen Bedrohung zu schützen." Auf die Frage, welches die tatsächlichen Motive von Bush und der amerikanischen Regierung waren, den Irak anzugreifen, gibt es nicht nur eine Antwort. Sicher kann man davon ausgehen, dass Bushs tiefe Religiosität und die Unfähigkeit (oder der Unwille), die Welt mit ihren Nuancen wahrzunehmen und stattdessen in Gut und Böse zu unterteilen, auf nicht unerhebliche Weise den Entscheidungsprozess beeinflusst haben. Sicher ist auch, dass ökonomische und politische Vorteile mitbestimmend waren.
Die kriegerische Intervention im Irak ist der letzte von insgesamt elf Coup dÂ’Etats, "made in USA", die der amerikanische Journalist Stephen Kinzer in seinem neuesten Buch "Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus" beschreibt und in dem er in drei Kapiteln zu ergründen versucht, warum die Vereinigten Staaten fremde Regierungen stürzen und welche Folgen das für sie selbst hat.
Nicht alle Fälle, in denen die USA zum Sturz fremder, zum Teil sehr weit entfernter Regierungen beigetragen haben, führt Kinzer auf. So wird beispielsweise nicht auf die Rolle der USA im Zweiten Weltkrieg und ihre Beteiligung am Sturz des Nazi-Regimes eingegangen. Lediglich Fälle, in denen vorwiegend die Vereinigten Staaten entscheidend zum Fall der jeweiligen Regierungen beigetragen haben, hat Kinzer aufgenommen, angefangen bei dem Sturz der hawaiischen Monarchie im Jahr 1893 und der - vor allem wegen des einsetzenden Spanisch-Amerikanischen Krieges militärisch notwendigen - Annexion Hawaiis im Jahr 1898. Im Spanisch-Amerikanischen Krieg wollten die USA zunächst nur jenen Ländern hilfreich zur Seite stehen, die sich gegen die Kolonialmacht Spanien erhoben, um diese im Anschluss aber doch in amerikanische Protektorate zu verwandeln. So gilt der Spanisch-Amerikanische Krieg, der in Südostasien auf dem philippinischen Archipel begann, als Wendepunkt, ab dem die Hegemonie der USA nicht mehr nur für den nordamerikanischen Kontinent gelten sollte, sondern weltweit ausgedehnt werden konnte. Ebenfalls besetzt wurden Puerto Rico, Guams und Kuba. Und so wie McKinley seinen Einzug in Kuba mit der Beendigung der "Unterdrückung direkt vor unserer Haustür" rechtfertigte, wurden auch die nachfolgenden Regierungsstürze als Einsätze zum Wohle unterdrückter Bevölkerungen oder gar, wie im Fall des Iraks, der gesamten Menschheit dargestellt. Von imperialistischen Bestrebungen war öffentlich nicht die Rede, auch wenn sie meist bestimmend waren. Das betrifft den Sturz des nicaraguanischen Präsidenten Zelaya im Jahr 1909, der die Handlungsfreiheit amerikanischer Firmen in seinem Land einschränken wollte, oder den Staatsstreich 1953 im Iran, der es gewagt hatte, die Ölindustrie zu verstaatlichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die Sowjetunion ein Gegengewicht zur Macht der USA dar und die USA veränderten ihre Taktik von offenen Eingriffen hin zu heimlichen Staatsstreichen. Im Iran, in Guatemala, in Südvietnam und in Chile waren es vor allem Diplomaten und Geheimagenten, die als Akteure der amerikanischen Intervention auftraten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren die USA militärisch wieder freier und marschierten in Grenada und Panama ein. Historisch bedeutsamer sind die Invasionen in Afghanistan und in den Irak.
In relativ kurzen, um die dreißig bis vierzig Seiten umfassenden und klar umschriebenen Episoden erzählt Kinzer die unglaublich spannenden Geschichten von Staatsstreichen und Regierungsstürzen, in die verschiedene Staatsmänner mit vielfältigen Motiven, Wirtschaft, Militär und Spionage miteinander verwoben sind. Die engen Grenzen, die der Autor an die Episoden anlegt und die kaum Raum für die Besprechung zukünftiger Entwicklungen lassen, können zu Beginn etwas enttäuschen, relativieren sich aber, da es am Ende jedes Kapitels einen Text gibt, der die bisher besprochenen Regimewechsel zusammenführt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigt und dabei auch die Entwicklung nach der US-amerikanischen Intervention und ihre Folgen beschreibt. So wird deutlich, dass die USA sich einige Probleme, vor denen sie stehen oder gestanden haben, mit ihrer häufig unüberlegten Außenpolitik selbst geschaffen haben.
Das Buch wurde nicht nur der Informationen wegen geschrieben, sondern auch um der Unterhaltung willen. So wirkt manche Beschreibung Kinzers recht romanhaft. Wer also der Überzeugung anhängt, Sachbücher sollten pure Information versammeln und insgesamt trocken und dröge sein, um Seriosität auszustrahlen, wird die spannende und auf Unterhaltung ausgerichtete Prosa des Journalisten wohl eher nicht zu schätzen wissen. Wer allerdings aufregende Sachbücher mag, die durchgehend zu fesseln vermögen, insbesondere auch, weil sie den Leser niemals aus den Augen verlieren, kann hier bedenkenlos zugreifen, wenn er sich auch nur im Entferntesten für die amerikanische Geschichte beziehungsweise Außenpolitik interessiert.