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Im Jahr 1929 hat der Neurologe und Psychiater Hans Berger erstmals über die Darstellung von "Hirnströmen", die er von der menschlichen Kopfhaut ableitete, berichtet. Heute weiß man, dass diese Darstellung, Elektroenzephalogramm (EEG) genannt, keine "Hirnströme", sondern Spannungsschwankungen zeigen.
Die Elektroenzephalographie gehört zu den ältesten heute eingesetzten neurophysiologischen und neurologischen Untersuchungsmethoden. Aus der klinischen Diagnostik und auch aus der Forschung ist sie nicht wegzudenken und steht durchaus gleichberechtigt neben bildgebenden Verfahren, von denen das EEG nicht, wie so manches Mal prophezeit, ersetzt wurde. Der Bedeutung der Elektroenzephalographie trägt die
Referenz-Reihe Neurologie aus dem Thieme Verlag mit einem Buch über diese Methode Rechnung.
Zunächst werden die physiologischen Grundlagen besprochen, die es braucht, um die Elektroenzephalographie zu verstehen. Es folgen vier methodisch orientierte Kapitel, die über die erforderliche Technik, mögliche Ableiteprogramme, Regeln zur Lokalisation der EEG-Potenziale und spezielle digitale Werkzeuge zur computergestützten Auswertung informieren. Anschließend wird das normale EEG bei Erwachsenen und Kindern vorgestellt, auf einige Möglichkeiten der Aktivierung zur Erhöhung der Sensitivität des EEGs (besonders im Rahmen der Epilepsie-Diagnostik) eingegangen und kurz das Langzeit-EEG besprochen. Außerdem werden Informationen zum Erkennen von Artefakten angeboten. Die letzten fünf Kapitel befassen sich mit speziellen Erkrankungen und ihren Auswirkungen auf das EEG. So gibt es natürlich ein eigenes Kapitel zur Epilepsie. Zwei weitere befassen sich jeweils mit fokalen und diffusen EEG-Auffälligkeiten und deren klinischer Bedeutung. Auch Schlaf und Schlafstörungen werden besprochen. Das letzte Kapitel widmet sich dem Einsatz des EEGs in der Psychiatrie und Auswirkungen von Psychopharmaka.
Auffällig an diesem Fachbuch aus dem Thieme Verlag ist die hervorragende Vermittlung notwendiger Grundlagen. Häufig wiederholen solche spezifischen Fachbücher die Grundlagen lediglich in einem oberflächlichen Abriss, sodass man ein bestimmtes, zumeist bereits recht hohes Einstiegsniveau braucht, um überhaupt Nutzen aus dem Buch ziehen zu können. Die Zielgruppe ist damit auf bereits ausgebildetes Fachpersonal beschränkt.
Vorkenntnisse in der Neurophysiologie und eine gute Allgemeinbildung in Elektrodynamik sind auch bei der Lektüre des hier vorgestellten Buches von Vorteil. Wenn man aber weiß, was ein Membran- oder Aktionspotenzial ist, ist man schon ganz gut gerüstet, um mit dem Buch arbeiten zu können. Viel mehr braucht es nicht, um den Ausführungen und Erklärungen der verschiedenen Autoren folgen zu können. Das bedeutet natürlich nicht, dass alles sofort eingängig ist. Um Mit- und Nachdenken kommt man nicht herum, will man das Erläuterte wirklich verstehen. So können auch Studierende, die sich, in welchem Fach auch immer, mit der Methode der Elektroenzephalographie befassen, dieses Buch als Einstiegsliteratur verwenden, denn die methodischen Aspekte des EEGs werden ausführlich und klar verständlich vermittelt. Aber auch alle, die bereits Erfahrungen haben, finden hier ein gutes Nachschlagewerk, das bei grundlegenden Fragen Antworten bereithält. Die letzten fünf Kapitel befassen sich mit EEG-Auffälligkeiten bei bestimmten Erkrankungen und können in der Diagnostik und so dem Praktiker behilflich sein.
Mit "EEG" liegt also ein umfassendes und klar verständliches Buch vor, das in die Elektroenzephalographie einführt und gleichzeitig als Nachschlagewerk in Forschung und Praxis dienen kann. Einziger Wermutstropfen sind die fehlenden ereigniskorrelierten Potenziale, die in ihrer endogenen Form vor allem für die Forschung interessant, in der exogenen Form aber auch in der Diagnostik bedeutsam sind. In einem Buch, das so gut Informationen zur Elektroenzephalographie präsentiert und die computergestützte Auswertung einbezieht, sollten sie eigentlich nicht fehlen.